Der Lustmolch
fummelte den Schlüssel ins Zündschloß, startete den Wagen, legte den Vorwärtsgang ein und trat so heftig aufs Gas, daß hinter ihnen die Kieselsteine durch die Luft wirbelten.
»Stop, deine Schuhe stehen noch auf dem Dach.«
»Kann sie ruhig haben«, sagte Catfish. »Die sind besser als die, die sie beim letzten Mal gefressen hat.«
»Sie? Was zum Teufel war das? Weißt du etwa, was das war?« »Ich erzähl's dir, sobald ich diesen Herzanfall hinter mich gebracht habe.«
-5-
DAS SEEUNGEHEUER
Das große Seeungeheuer wandte seine Aufmerksamkeit kurz von der Verfolgung des leckeren radioaktiven Aromas ab und sandte eine Infraschallbotschaft an einen Grauwal, der mehrere Meilen voraus seinen Weg kreuzte. Grob übersetzt lautete die Nachricht in etwa: »Hey, Schatzi, wie wär's, wenn wir uns 'ne Ladung Plankton reinziehen und hinterher 'ne wilde Nummer schieben?«
Der Grauwal, ein Weibchen, setzte unbeirrt seinen Weg gen Süden fort und antwortete mit einem Infraschallgezirpe, das sich folgendermaßen übersetzen ließ: »Ich weiß genau, wer du bist. Bleib mir bloß vom Leib.«
Das Seeungeheuer schwamm weiter. Während seiner Reise hatte es einen Riesenhai, diverse Delphine und ein paar hundert Thunfische gefressen. Mittlerweile richtete sich sein Interesse mehr auf Sex denn auf Nahrung. Je näher es der kalifornischen Küste kam, desto mehr verflüchtigte sich die radioaktive Witterung, bis sie fast gar nicht mehr vorhanden war. Das Leck in dem Atomkraftwerk war entdeckt und abgedichtet worden. Und so trieb das Seeungeheuer, den Bauch voller Fisch, in weniger als einer Meile Entfernung vor der Küste und konnte sich nicht mehr daran erinnern, warum es sein vulkanisches Nest überhaupt verlassen hatte. Doch mit einem Mal war da etwas, ein Summen aus Richtung der Küste, das seine Raubtierinstinkte kitzelte - die teilnahmslose Entschlossenheit von Beutetieren, die sich selbst aufgegeben haben: Depression. Warmblütige Mahlzeiten - Delphine und Wale - sandten manchmal die gleichen Signale aus. Da hinten, knapp hinter der Küste, gab es offenbar einen großen Schwarm Nahrung, der quasi darum bettelte, gefressen zu werden. Das Seeungeheuer machte kurz hinter der Brandungslinie halt und tauchte inmitten eines Tangfeldes auf, wobei sein massiger Schädel sich durch den Seetang pflügte wie die Zombieversion eines Pickup-Truck, der sich durch das kalte Erdreich aus seinem Grab wühlt.
Und in diesem Augenblick hörte das Seeungeheuer das Geräusch. Ein Geräusch, das ihm verhaßt war. Den Klang des Feindes. Es war ein halbes Jahrhundert her, seit das Seeungeheuer das Wasser zum letzten Mal verlassen hatte. Land war zwar nicht sein natürliches Refugium, doch sein Angriffsinstinkt war stärker als sein Selbsterhaltungstrieb. Es warf den Kopf zurück, schüttelte die mächtigen violetten Kiemen, die aus seinem Hals herausragten wie Bäume, und stieß das Wasser aus seinen rudimentären Lungen. Seine eingefallene Luftröhre brannte, als sich zum ersten Mal seit fünfzig Jahren ein Atemzug seinen Weg nach unten bahnte, um gleich darauf wieder als ein grauenerregendes Gebrüll ausgestoßen zu werden, in dem sich Schmerz und Zorn vermischten. Drei Schutzmembranen glitten über seine Augen zurück wie elektrische Scheiben eines Autos, so daß es in der bitteren Luft sehen konnte. Das Seeungeheuer schlug mit seinem Schwanz, ruderte mit seinen mächtigen Flossenfüßen und schoß auf die Küste zu wie ein Torpedo.
GABE
Es war fast zehn Jahre her, seit Gabe Fenton zum letzten Mal einen Hund seziert hatte, doch nun, gegen drei Uhr, überlegte er ernsthaft, ob er sich nicht ein Skalpell schnappen und damit seinem dreijährigen Labrador Skinner zu Leibe rücken sollte, der offensichtlich einen psychotischen Anfall von Bellwut hatte. Skinner war seit dem Nachmittag auf die Veranda verbannt, nachdem er sich auf einer toten Möwe herumgewälzt und sich anschließend geweigert hatte, im Meer zu baden oder auch nur in die Nähe des Gartenschlauchs zu kommen, um sich abwaschen zu lassen. Für Skinner sah die Sache anders aus: Tote Vögel waren der Duft schierer Romantik.
Gabe kletterte aus seinem Bett und watschelte in seinen Boxershorts zur Tür, wobei er auf dem Weg noch einen Wanderschuh einsammelte. Er war Biologe, hatte in Stanford seinen Doktor in Verhaltensforschung gemacht, und folglich war es wissenschaftlich fundiert, als er nun die Tür öffnete, den Stiefel nach seinem Hund schleuderte und dazu das hochgradig
Weitere Kostenlose Bücher