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Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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zerkauen. Schließlich stieß es einen Rülpser aus und genoß noch einmal das Stinktieraroma, wobei seine Kiefer zusammenklatschten wie zwei nasse Matratzen und seine Flanken als Ausdruck seines Wohlbehagens in Neongelb zu strahlen begannen.
    Das Seeungeheuer kroch den Abhang hinauf, überquerte den Highway, der die Küste entlangführte, und schlich durch die schlafende Stadt. Die Straßen lagen verlassen da, die Lichter in den Geschäften an der Cypress Street waren ausgeschaltet. Der Bodennebel umwaberte die Fachwerkfassaden der im Pseudo- Tudorstil gehaltenen Häuser und bildete grüne Aureolen um die Lichter der Straßenlaternen. Über all dem thronte die rote Texaco-Reklame wie ein Leuchtfeuer.
    Das Seeungeheuer wechselte seine Farbe zu einem Nebelgrau und schlängelte sich wie eine gewundene Wolke auf der Fahrbahnmitte die Straße entlang. Es folgte einem tiefen Brummgeräusch, das von unterhalb des roten Leuchtfeuers zu ihm drang, brach aus dem Nebel, und dann sah es sie.
    Schnurrend lag sie da vor der verlassenen Texaco-Tankstelle. Sie war neckisch und verlockend. Dieses Kommher-Brummen. Dieses tiefe, sexy Knurren. Silberne Flanken, in denen sich der Nebel und das rote Texaco-Schild spiegelten. Sie riefen ihm zu, ja bettelten es an, sie zu besteigen. Das Seeungeheuer ließ seine Flanken in allen Farben des Regenbogens erstrahlen, um seine großartige Männlichkeit zu demonstrieren. Es stellte seine Kiemen auf, die zu leuchten begannen wie bewegte Lichtreklamen.
    Das Seeungeheuer sandte ein Signal, das grob übersetzt in etwa lautete: »Hey, Süße, dich hab ich hier ja noch nie gesehen.« Sie lag nur da, schnurrte und spielte die Unschuld vom Lande, doch er wußte, daß sie ihn wollte. Sie hatte kurze schwarze Beine, einen Stummelschwanz und roch, als hätte sie vor kurzem ein Fischerboot gefressen, aber ihre silbernen Flanken waren einfach unwiderstehlich.
    Damit sie sich behaglicher fühlte, wechselte das Seeungeheuer nun ebenfalls seine Farbe zu Silber und stellte sich auf die Hinterbeine, um ihr sein erigiertes Geschlechtsteil zu zeigen. Keine Reaktion - nur dieses scheue Schnurren. Er deutete dies als Einladung und kroch über den Parkplatz, um den Tanklastwagen zu besteigen.
     
     
    ESTELLE
    Estelle stellte eine Tasse Tee vor Catfish auf den Tisch und setzte sich dann mit ihrer eigenen Tasse ihm gegenüber hin. Catfish nippte an dem Tee, verzog das Gesicht und zog die Schnapsflasche aus seiner Gesäßtasche. Er hatte schon den Deckel abgeschraubt und wollte gerade einschenken, als Estelle seine Hand festhielt.
    »Sie müssen erst mal einiges erklären, Mr. Bluesman.« Estelle war mehr als nur ein wenig verstört. Als sie den Strand eine halbe Meile hinter sich gelassen hatten, war sie von dem plötzlichen Bedürfnis umzukehren gepackt worden und hatte Catfish ins Lenkrad gegriffen. Es war der schiere Wahnsinn, und sie war über ihr Verhalten genauso erschrocken wie über das Ding am Strand, so daß sie gleich nach der Ankunft zu Hause ein Zoloft eingenommen hatte, obwohl sie ihre Tagesdosis bereits aufgebraucht hatte.
    »Laß mich mal machen, Weib. Ich hab gesagt, ich erzähl's dir. Ich brauch jetzt was für die Nerven.«
    Estelle ließ seine Hand los. »Was war das da am Strand?«
    Catfish goß einen Schuß Whiskey in Estelles Tee und dann in seinen eigenen. Er grinste. »Du mußt wissen, Catfish war nicht immer mein Name. Als ich zur Welt kam, hieß ich Meriwether Jefferson. Das mit dem Catfish kam erst später.«
    »Mein Gott, Catfish, ich bin jetzt sechzig. Werd ich das Ende der Geschichte noch erleben? Was war dieses verdammte Ding da im Wasser?« Diese Flucherei sah ihr überhaupt nicht ähnlich.
    »Willst du's wissen oder nicht?«
    Estelle nippte an ihrem Tee. »Entschuldige. Erzähl weiter.«
     
     

-6-
CATFISH
    Das ist jetzt ungefähr fünfzig Jahre her. Ich bin damals durch den Süden gezogen und mit meinem Partner Smiley in den Tanzschuppen aufgetreten. Er hieß Smiley, weil er nie den Blues gehabt hat. Der Junge konnte den Blues zwar spielen, aber gehabt hat er ihn nie - keine Sekunde lang. Egal wie verkatert oder abgebrannt er war - er hat immer gelächelt. Ich sag zu ihm: »Smiley, du wirst nie besser spielen als Deaf Cotton, wenn du's nicht in dir spürst.«
    Deaf Cotton Dormeyer war so 'n alter Knabe, mit dem wir von Zeit zu Zeit gespielt haben. Weißt du, damals gab's 'n Haufen Bluesmen, die blind waren. Deswegen hießen sie Blind Lemon Jefferson, Blind Willie Jackson und so

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