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Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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War dies der dunkle Schatten, der in den Schaumkronen der Wogen auf ihren Gemälden immer wieder auftauchte?
    Sie nahm ihn bei der Hand. »Gehen wir zum Strand.«
    »Ha!« rief Catfish.
    Mavis zog den Louisville Slugger unter der Bar hervor und reichte ihn Estelle. »Hier, den können Sie vielleicht gebrauchen.«
    Sie suchten sich eine Lücke in den Felsen, wo sie vor dem Wind geschützt waren. Catfish klopfte den Sand von seinen Wingtips und schüttelte seine Socken aus, bevor er sie zum Trocknen hinlegte.
    »Das war vielleicht 'ne fiese alte Welle.«
    »Ich hab Ihnen gesagt, Sie sollen Ihre Schuhe ausziehen«, erwiderte Estelle. Ihre Laune war besser, als sie nach ihrem Dafürhalten hätte sein sollen. Ein paar Schlucke aus Catfishs Flasche hatten verhindert, daß der billige Weißwein in ihrem Magen sauer geworden war. Trotz des frischen Winds war ihr warm. Catfish hingegen war ein Bild des Jammers.
    »Das Meer konnte ich nie besonders leiden«, sagte Catfish. »Zuviel fieses Viehzeug da unten. Da kriegt man das kalte Grausen. Aber hundert Prozent.«
    »Wenn Sie den Ozean nicht mögen, warum haben Sie mich dann gefragt, ob wir zum Strand gehen?«
    »Der lange Typ hat gesagt, Sie malen Bilder vom Strand.«
    »In letzter Zeit krieg ich beim Anblick des Meeres auch so was wie ein kaltes Grausen. Meine Bilder haben neuerdings so was Dunkles.«
    Catfish wischte sich mit seinem schlanken Finger den Sand zwischen den Zehen weg. »Glauben Sie, Sie können den Blues malen?«
    »Haben Sie je van Gogh gesehen?«
    Catfish schaute hinaus aufs Meer. Der Mond war dreiviertel voll und glitzerte wie Quecksilber. »Van Gogh ... van Gogh, der Fiedler aus St. Louis?«
    »Genau der«, sagte Estelle.
    Catfish schnappte sich die Flasche, die sie noch immer in der Hand hielt, und grinste. »Mädchen, du trinkst einem Mann den Schnaps weg und lügst ihn auch noch an. Ich weiß, wer Vincent van Gogh ist.«
    Estelle konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal Mädchen genannt worden war, doch sie war ziemlich sicher, daß sie damals wesentlich weniger erfreut darüber gewesen war als jetzt. Sie sagte: »Und wer lügt jetzt? Von wegen: Mädchen!«
    »Na ja, kann schließlich sein, daß unter der Latzhose und dem großen Pullover doch'n Mädchen steckt. Kann aber auch sein, daß ich mich täusche.«
    »Werden Sie nie erfahren.«
    »Ach wirklich? Na, das is' aber wirklich traurig.« Er nahm seine Gitarre, die die ganze Zeit an einem Felsen gelehnt hatte, und begann leise zum Rhythmus der Brandung zu spielen. Er sang über nasse Schuhe, das letzte bißchen Schnaps, das einem noch geblieben war, und über einen Wind, der einem durch
    Mark und Bein drang. Estelle schloß die Augen und wiegte sich zur Musik. Es fiel ihr auf, daß dies das erste Mal seit Wochen war, daß sie sich gut fühlte.
    Plötzlich hörte er unvermittelt auf. »Ich soll verdammt sein. Schauen Sie mal da!«
    Estelle öffnete die Augen und schaute zu der Stelle an der Wasserlinie, wo Catfish hindeutete. Ein Schwarm Fische war aus dem Wasser auf den Strand geschossen und zappelte nun auf dem Sand herum.
    »Haben Sie so was schon mal gesehen?«
    Estelle schüttelte den Kopf. Noch mehr Fische schossen aus der Brandung. Hinter den Wellenkämmen schien das Wasser vor Fischen förmlich zu kochen, die aus dem Wasser hochsprangen und wieder hineinklatschten. Die Wasseroberfläche hob sich, als ob sie von unten hochgestemmt wurde. »Da unten bewegt sich was.«
    Catfish hob seine Gitarre auf. »Machen wir uns aus dem Staub - aber schnell.«
    Estelle kam gar nicht auf die Idee zu protestieren. »Sofort.« Sie dachte an die riesigen Schatten, die in ihren Bildern immer wieder unter den Wogen auftauchten. Sie schnappte sich Catfishs Schuhe, sprang von dem Felsen, wo sie gesessen hatten, und rannte den Strand entlang zu einer Treppe, die zu dem Kliff hinaufführte, wo Catfish seinen Kombi geparkt hatte. »Komm schon.«
    »Ich komme.« Catfish kroch den Felsen hinunter und folgte ihr.
    Am Auto angelangt, lehnten beide für einen Augenblick keuchend am Kotflügel, und während Catfish in seinen Taschen nach dem Wagenschlüssel kramte, hörten sie das Gebrüll. Es war ein Gebrüll, als ob tausend träge herumliegende Löwen in ihrer Ruhe gestört worden wären - zu gleichen Teilen geprägt von Lautstärke, Nässe und Wut. Estelle spürte, wie ihre Rippen von dem Lärm vibrierten.
    »Herrgott, was war das?«
    »Steig in den Wagen, Mädchen.«
    Estelle stieg in den Kombi. Catfish

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