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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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käm von ihm los.«
    Ruben liebte es, durch die Dunkelheit zu fahren. Die Welt war wie ausgelöscht, wenn er über die Landstraߟen glitt, vor sich das einsame Licht der Scheinwerfer, das immer nur einen Ausschnitt aus dem Schwarz der Umgebung löste. In den Ortschaften veränderte sich das Bild, da gab es Laternen und Häuser und erleuchtete Fenster. Aber keine Leute. Als hätten sich alle verkrochen.
    Die Städte waren taghell. Hier gab es Farben, die aufsprangen und wieder erloschen, noch bevor man sie richtig wahrgenommen hatte. Paare schlenderten umher und blieben vor den Schaufenstern stehen. Manche waren unterwegs, irgendwohin, und stemmten sich beim Laufen gegen den kalten Wind.
    Ruben war das Land so lieb wie die Stadt. Er hatte schon immer das Bedürfnis gehabt, alles kennen zu lernen, nichts auszuschlieߟen, für jeden Eindruck offen zu sein. So kamen ihm die Bilder in den Kopf, die er malte.
    Er war süchtig nach Menschen, nach Dingen und nach den Gefühlen, die sie in ihm auslösten. Eine alte Steintreppe mit ausgetretenen Stufen konnte ihn begeistern, der Anblick von wildem Wein an einer Mauer ihm eine Gänsehaut über die Arme rieseln lassen. Er musste sich oft zusammenreiߟen, um nicht einen alten Mann auf der Straߟe anzuhalten und zu zeichnen, oder ein Mädchen mit dem Gesicht einer Madonna.
    Stunden verbrachte er in Kneipen und Caffees, belauschte Gespräche, studierte Gesichter, hing seinen Gedanken nach. Er dachte sich zu den Gesichtern, den Stimmen und den Gesprächsfetzen, die er mitbekam, Geschichten aus und bedauerte es, kein Talent zum Schreiben zu haben. Konnten Worte eine Geschichte nicht besser erzählen als Farben?
    Ein Bild konzentrierte sich auf den Moment. Und trotzdem musste die ganze Geschichte in diesem einen Moment enthalten sein. Das war die Kunst.
    Ruben kannte seine Grenzen. Das machte es nicht gerade leichter. Manchmal stand er in einem Museum vor einem perfekten Bild und ihm wurde abwechselnd heiߟ und kalt. Ob er jemals so etwas schaffen würde? Ein Kunstwerk ohne Fehl und Tadel?
    Er gab Gas. Plötzlich hatte er es eilig, nach Hause zu kommen. Er musste malen. Unbedingt. Sofort. Den ganzen Tag, das ganze wundervolle Licht hatte er vergeudet, ohne einen einzigen Pinselstrich getan zu haben.
    »Aber ich habe Ilka gesehen«, murmelte er. »Und das Haus.«

    Der Hals wurde ihm eng. Er konnte die Unruhe kaum noch unterdrücken. Gleich würden seine Hände anfangen zu zittern und der Schweiߟ würde ihm ausbrechen. Nur wenn er malte, war er im Einklang mit sich und der Welt.
    »Den Kopf etwas mehr zur Seite. Ja. So ist€™s gut.«
    Das Licht fällt durch die Fenster mit dem Muster aus buntem Glas und legt sich auf Ilkas Körper. Es lässt ihre Haut farbig schimmern und ihr Haar glänzen. Als befände sie sich unter Wasser. Eine Meerjungfrau.
    »Nicht bewegen. Bleib ruhig.«
    Doch das kann sie nicht. Immerzu muss sie den Kopf drehen. Um ihn anzuschauen. In den Himmel zu gucken. Den Hund zu beobachten, der auf der Türschwelle liegt. Es ist zum Verrücktwerden mit ihr.
    Sie haben das Haus für sich allein. Die Eltern sind auf einer Feier und werden nicht vor Mitternacht zurückkommen. Das ganze Haus mit den groߟen, schönen Zimmern und diesem Meer an Licht.
    Und sofort musste er Ilka malen.
    »Ich hab Hunger, Rub.«
    Sie ist die Einzige, die seinen Namen so abkürzt. Die Einzige, der er es erlaubt.
    »Gleich. Noch einen Moment.«
    Sie hat keine Geduld. Dabei sind bestimmt nicht mal zwei Stunden vergangen.
    »Es gibt so viele Mädchen, die dir liebend gern Modell stehen würden. Oder sitzen. Oder liegen.« Sie kichert. »Warum nimmst du nicht eine von denen, die dich anhimmeln?«
    »Die sind nicht wie du.«
    Ilka gähnt. Sie verändert ihre Haltung schon wieder.
    »Eben. Sie würden genau in der Stellung bleiben, in der du sie haben möchtest. Stundenlang.«
    »Den Arm ein bisschen höher. Komm, sei lieb!«
    Ilka räkelt sich. Der dunkelrote Flor des Sofas lässt ihre Haut leuchten wie Marmor. Der Frühling hat eben erst begonnen. Ilkas Körper ist noch unberührt von der Sonne.
    »Ilka! Bitte!«
    Sie steht auf, kommt auf ihn zu, verdeckt für einen Augenblick das Licht. Sie nimmt Ruben den Block aus der Hand und die Kreide. Dann beugt sie sich zu ihm hinunter und küsst ihn.
    »Lass uns erst was essen, Rub.«
    Er schiebt den Stuhl zurück und folgt ihr in die Küche. Sie hat sich ihren Bademantel übergestreift und Socken angezogen. Erst jetzt merkt Ruben, wie kühl

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