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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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durfte sich nicht ausmalen, was ihr hier unten alles zustoߟen konnte. Was, wenn während seiner Abwesenheit ein Feuer ausbrach? Oder wenn ihm tatsächlich etwas zustieߟ?
    Ruben hatte Widerstand noch nie akzeptiert. Die Menschen und die Umstände hatten sich seinen Plänen zu fügen. Als Kind hatte Ilka ihn dafür bewundert, dass er so unnachgiebig war. Später hatte sie ihn deshalb gefürchtet.
     
    Sie gehen durch den kleinen Wald. Der Hund läuft einige Meter vor ihnen her, die Nase auf dem Boden, den Körper lang gestreckt vor Anspannung. Er hat eine Fährte gewittert.
    »Bleib!«, sagt Ruben.
    Der Hund hat ihn gehört. Seine Ohren haben sich kurz nach hinten gedreht. Doch jetzt hat er die Witterung konzentriert wieder aufgenommen.
    »Warum legst du ihn nicht an die Leine?«, fragt Ilka. »So führst du ihn doch bloߟ in Versuchung.«
    »Er soll mir gehorchen«, sagt Ruben.
    Zweimal in der Woche kaufen sie beim Biobauern ein. Die Mutter schwört auf das ungespritzte Obst, das naturbelassene Gemüse und die unbehandelte Milch aus der näheren Umgebung. Ilka ist es gleichgültig, woher die Sachen stammen, aber sie ist gern auf dem Bauernhof. Einmal durfte sie zusehen,wie ein Kalb geboren wurde. Das war so schrecklich und so schön, dass sie weinen musste.
    Ruben trägt den Korb, Ilka die Kanne. Mit dem Zeigefinger fängt sie das Schwitzwasser auf und leckt es ab.
    »Fuchs! Bleib!« Rubens Stimme ist schärfer geworden.
    Der Hund ist hin und her gerissen zwischen Jagdtrieb und Gehorsam. Er zittert vor Erregung. In der nächsten Sekunde rennt er los. Er ist wahnsinnig schnell, fliegt über den Waldboden wie der Wind.
    »Fuchs! Hier!«
    Ruben ruft. Brüllt. Die Vögel in den schwarzen Bäumen schwirren auf und flattern davon.
    Ilka wagt es nicht, Ruben anzusprechen. Sie wagt nicht mal, ihn anzugucken. Sie hat Angst vor seinem Schweigen.
    Nach einer Weile kommt der Hund hechelnd zurück. Die Zunge hängt ihm aus dem Maul. Er wedelt mit dem Schwanz, schaut Ruben an. Ruben holt aus und versetzt ihm einen heftigen Hieb mit der Leine. Der Hund heult auf. Ruben packt ihn am Halsband, schlägt zu, wieder und wieder. Der Hund jault, winselt, kriecht vor ihm.
    »Nicht! Ruben! Hör auf!«
    Ilka fällt ihm in den Arm. Ruben stöߟt sie weg, prügelt auf den Hund ein, bis ihm der Arm schwer wird. Dann lässt er los.
    »Hau ab!«, schreit er.
    Der Hund verschwindet im Unterholz.
    Entsetzt sieht Ilka zu Ruben auf. Er ist sechzehn, fast schon so groߟ wie der Vater, und wirft einen langen Schatten.
    »Er hat mir nicht gehorcht«, sagt er.
    Ilka starrt seinen Schatten an und ihren eigenen. Und plötzlich hat sie das Bedürfnis, vor diesen Schatten wegzulaufen, dem Hund hinterher, durch den Garten und ins Haus, wo sie vor ihnen sicher ist. Aber sie traut sich nicht. Sie weiߟ, dass die Schatten sie immer wieder einholen werden.

    Nein. Sie würde Ruben nicht dazu bewegen können, sie freizulassen. Sie würde ihm nicht einmal klar machen können, dass er ein Unrecht beging, indem er sie hier festhielt. Ruben war Ruben, das machte ihn gefährlich.
     
    Mike war den ganzen Tag umhergelaufen. Er hatte mehrere Kilometer zurückgelegt auf der Suche nach etwas, das er nicht benennen konnte. Immer wieder hatte er sich gesagt, dass sein Tun ohne Sinn und Verstand war. Es fehlte ihm jede Logik. Aber er konnte nichts daran ändern.
    Es trieb ihn an all die Orte, an denen er mit Ilka gewesen war. Als könnte er ihr auf diese Weise nah sein oder etwas über sie erfahren, das ihm weiterhalf. Er wanderte zum Kiessee hinaus, in dem sie im Sommer gebadet hatten. Machte einen Abstecher in ihren Lieblingswald. Er besuchte die beiden Caffees, in denen er stundenlang mit Ilka gesessen hatte. Pilgerte kreuz und quer durch die Stadt. Irgendwann wurde er müde und fühlte sich ein klein wenig getröstet.
    Weder Ilka noch er waren Discofreaks. Sie gingen lieber ins Kino. Und so stand Mike am Ende des Tages mit schweren Beinen im Multiplexkino an der Kasse und überlegte, welchen Film Ilka wohl ausgesucht hätte.
    Die Titel an der Leuchttafel verschwammen ihm vor den Augen. Er hatte seit dem Frühstück nichts gegessen und merkte, wie hungrig er war. Wenig später fand er sich bei Pizza Hut wieder. Er wählte den Tisch, an dem sie das letzte Mal gesessen hatten, bestellte die Pizza, die sie damals bestellt hatten, und sehnte sich danach, Ilka zu küssen, wie er sie damals geküsst hatte.
    Die Pizza schmeckte nicht. Er zwang sich, trotzdem zu

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