Der Maedchensammler
tatsächlich die Fassung verlor. »Vielleicht bin ich wirklich ziemlich erschöpft. Ich ruhe mich ein bisschen aus, bis ich das Abendessen zubereite.«
»Du kannst nicht vor mir weglaufen, Jane. Ich habe nichts dagegen, dass du ein Gespräch aufschiebst, aber ich werde nicht zulassen, dass du das, was dich so aufwühlt, in dich hineinfrisst.«
»Das weiß ich.« Sie ging den Flur hinunter. »Aber es würde mir schon besser gehen, wenn ich wüsste, was mich so aufwühlt.
Im Moment bin ich völlig durcheinander.«
»Da bist du nicht die Einzige. Trevor hat eine Bombe hochgehen lassen, dann auf dem Absatz kehrtgemacht, und ist gegangen. Kein Wunder, dass Joe sauer ist.«
»Herkulaneum …« Jane runzelte die Stirn. »Ich hab das schon mal gehört, aber wo zum Teufel liegt es?«
»In Italien«, sagte Eve. »Die Stadt wurde gleichzeitig mit Pompeji zerstört, als der Vesuv ausgebrochen ist.«
»Merkwürdig.« Jane öffnete ihre Zimmertür. »Ich bin sicher, dass Trevor uns nicht lange im Dunkeln tappen lässt. Wir reden später miteinander.« Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Gott, ihre Knie waren wie Pudding. Sie konnte es nicht ausstehen, sich so schwach zu fühlen.
Und es gab noch nicht einmal einen Grund dafür. Es konnte reiner Zufall sein.
Sicher. Cira war ja auch ein so gängiger Name.
Welche Erklärung konnte es also geben? Sie träumte von einer Frau, die seit zweitausend Jahren tot war? Augenblicklich verwarf sie den Gedanken. An den Denkprozessen der Cira, die sie kannte, war nichts antik. Sie hatte nie daran gezweifelt, dass Cira eine moderne Frau war. Alle ihre Gedanken, alle ihre Regungen waren für Jane absolut nachvollziehbar.
Vielleicht zu nachvollziehbar?
Genau, am besten, sie stellte jede Erinnerung, jeden Impuls in Frage. Dann würde sie vollends durchdrehen. Sie kannte noch nicht einmal die Geschichte der Frau, die Trevor Cira nannte.
Vielleicht hatte sie ja irgendwelche seltsamen Schwingungen von Aldo aufgenommen, die sich in ihre Träume geschlichen hatten.
Aber Aldo war erst Wochen, nachdem die Träume angefangen hatten, in ihrem Leben aufgetaucht.
Vielleicht hatte sie ja tatsächlich das zweite Gesicht. Sie hatte schon öfter von Telepathie gehört.
Offensichtlich drehte sie allmählich durch. Als Nächstes würde sie noch die grünen Männchen sehen, von denen Eve gesprochen hatte. Es musste eine Erklärung geben, egal, wie merkwürdig oder pragmatisch sie sein mochte, und sie musste sich ihr stellen und mit ihr umgehen, dann würde alles wieder gut werden.
Genau so hätte Cira gehandelt.
Nein, so würde sie, Jane, handeln. Cira war ein Traum und hatte nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Sie fühlte sich schon wieder besser, selbstsicherer. Sie hatte nur ein bisschen Zeit gebraucht, um den Schreck zu überwinden und zu akzeptieren, dass es hier um etwas ging, worüber sie keine Kontrolle hatte.
Sie straffte sich und ging ins Bad. Sie hatte nicht vor, sich ins Bett zu legen und zu »ruhen«. Sie würde sich das Gesicht waschen und sich dann an den Computer setzen, um zu sehen, ob sie irgendetwas über eine Cira aus Herkulaneum fand. Gut möglich, dass sie irgendwo etwas gelesen hatte, vielleicht nur eine Zeile oder zwei, die sie dann vergessen hatte, die aber in ihrem Unterbewusstsein hängen geblieben und in ihren Träumen wieder aufgetaucht waren. Wenn das nicht funktionierte, würde sie in der Stadtbibliothek anrufen und fragen, ob die irgendetwas dahatten oder ihr sagen konnten, wo sie weitersuchen konnte.
Bevor Trevor die Bombe hatte hochgehen lassen, hatte sie ihre Träume mit Neugier und Faszination akzeptiert, aber damit war es jetzt vorbei. Falls es irgendeine Verbindung zwischen Cira und der Realität gab, musste sie es wissen und herausfinden, was das mit ihr zu tun hatte.
Zwei Stunden später lehnte sie sich zurück und starrte frustriert auf ihren Bildschirm. Nichts. Und die Leute in der Bibliothek hatten auch nichts über Cira herausfinden können.
Nicht aufgeben. Es musste eine Antwort geben. Sie musste sie nur finden.
Und die einzige Informationsquelle zum Thema Cira war offenbar Trevor, dieser Mistkerl.
Zum Thema Cira und zum Thema Aldo.
Sie musste ihre Ungeduld zügeln. Am besten, sie beschäftigte sich mit irgendetwas, zum Beispiel damit, das Abendessen zuzubereiten. Sie hatte schon öfter die Erfahrung gemacht, dass die großen Dinge sich irgendwann ergaben, wenn man sich darauf konzentrierte, die kleinen Dinge richtig zu
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