Der Magier von Fairhaven
fest.
Cerryl seufzte gedehnt und übertrieben dramatisch. »Worüber denn?«
»Verkneif dir diesen Unterton, Ser Magier. Den Unterton, der sich fragt, wann wir endlich mit Philosophieren und meinen trivialen Fragen fertig sind und uns lustvolleren Beschäftigungen hingeben können.«
Cerryl verschluckte sich und hustete.
»Jeslek ist nicht mehr der Alte«, sagte sie und schürzte nachdenklich die Lippen.
»Ich weiß, aber ich weiß nicht genau, was sich verändert hat, außer dass jetzt mehr Chaos um ihn lodert als früher.«
»Vor allem wenn Anya in der Nähe ist«, ergänzte die Heilerin.
»Auch sonst. Und er hat Anya herumkommandiert. Höflich, aber dennoch unmissverständlich. Mehr als früher jedenfalls.«
»Er traut ihr nicht. Ich würde ihr auch nicht trauen. Sie hat mit Sterol geschlafen und tut es vielleicht immer noch, wenn sie es für sinnvoll hält.«
»Wohnt Sterol noch im Weißen Turm?«
»Er spielt auf Zeit«, meinte Leyladin. »Ganz egal, was er sagt, er hat die Hoffnung, das Amulett zurückzubekommen, noch nicht aufgegeben.«
»Was Jeslek angeht … ich frage dich lieber jetzt, ehe du fort bist und es zu spät ist. Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
»Befolge seine Befehle, solange sie nicht für dich zu gefährlich sind, und warte ab. Und sorge dafür, dass du niemals mit Anya allein bist. Achte darauf, dass immer ein paar Lanzenreiter oder andere Leute in der Nähe sind.«
»Das habe ich mir längst zur Gewohnheit gemacht.«
»Dann vergiss es nicht.«
»Sicher.« Er überlegte einen Augenblick, umfasste ihre beiden Hände. »Und jetzt … können wir uns vielleicht lustvolleren Beschäftigungen zuwenden?«, fragte er übertrieben jämmerlich.
Leyladin lachte. »Vielleicht.«
»Mehr will ich ja gar nicht.«
»Du willst nie etwas anderes«, berichtigte sie ihn. Aber sie wandte sich ihm zu und ihre Lippen trafen sich im tanzenden Schatten der kleinen Eiche.
LVI
A uf dem ebenen Gelände am Fluss brachen Lanzenreiter das Zelt ab, das Jeslek und Anya geteilt hatten, und rollten die seidenen Zeltwände zu Bündeln zusammen. Im Schatten der Kiefer, auf deren weichen Nadeln er seine Bettrolle ausgebreitet hatte, saß Cerryl und konzentrierte sich auf das Glas.
Als die silbernen Schleier sich widerwilliger als sonst teilten, sah Cerryl ein Schiff, ein eigenartiges Fahrzeug in einem Kanal oder an einem Kai in der Nähe einer Werft. Das ganze Schiff war durchdrungen von Schwarzem Eisen, und Cerryl bekam ein ähnliches Gefühl wie beim Anblick des Wagens, mit dem der Schmied vor der letzten Schlacht nach Kleth gefahren war. Fairhaven hatte durch die tödlichen Erfindungen des Schmieds, durch seine Fallen und die verlustreiche Schlacht sehr gelitten, und jetzt bot das Schiff einen weiteren Anlass, sich Sorgen zu machen.
Cerryl ließ das Bild in sich zusammenfallen ‚und rieb sich das Kinn. In gewisser Weise, auch wenn er den genauen Grund nicht hätte nennen können, war er froh, dass Leyladin nach Lydiar unterwegs war und auf einem der Weißen Schiffe fuhr, die im Nordmeer patrouillierten und dafür sorgten, dass kein spidlarischer Händler mehr fliehen konnte.
Schließlich ging er zu Jeslek hinunter, der in der Morgensonne wartete.
»Ihr scheint beunruhigt, Cerryl«, meinte Jeslek. »Stärker beunruhigt als sonst, und in der letzten Zeit habt Ihr oft beunruhigt ausgesehen.« Ein flüchtiges Lächeln erschien und verflog sofort wieder.
»Ich habe mein Glas benutzt, wie Ihr es mir aufgetragen hattet, Ser. Der Schmied hat etwas mit einem Schiff zu schaffen. Es geht dabei um Ordnung und Schwarzes Eisen.« Cerryl zuckte mit den Achseln. »Ich kann nicht herausfinden, was er macht, aber das Schwarze Eisen, das er nach Kleth gebracht hat, kam uns teuer zu stehen.«
»Ich erinnere mich.« Der Erzmagier nickte. »Ich weiß Eure Gewissenhaftigkeit zu schätzen. Wenn wir in der Nähe von Diev sind, werden Anya und ich entscheiden, was am besten zu tun ist.«
»In diesem Schiff ist mehr Ordnung und Schwarzes Eisen, als wir je an einem Ort gesehen haben«, beharrte Cerryl. »Ich kann nicht sagen, was es sein könnte, weil das Wasser das Spähglas stört, aber es gefällt mir überhaupt nicht.«
»Ein Schiff allein kann keinen großen Unterschied machen«, erwiderte Jeslek mit nachsichtigem Lächeln. »Wir werden uns darum kümmern. Wenn er zu fliehen versucht, werden die Belagerungsschiffe ohnehin sein Schiff aufbringen oder versenken.«
»Und wenn nicht«, fügte Anya hinzu,
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