Der Magier von Fairhaven
Leyladins Schlafzimmertür öffnete und hinter sich wieder schloss.
»Das hat nicht lange gedauert«, meinte sie schläfrig, als er sich auszog und unter das Leintuch glitt, das ihnen beiden in dieser warmen Nacht völlig ausreichte. »Wie ist es gegangen?«
»Es war doch etwas zu wenig und etwas zu spät, aber …«
»Besser dies als überhaupt nichts.« Sie legte den Finger auf seine vollen Lippen. »Tellis? Die junge Weberin?«
»Tellis. Das Mädchen ist nicht mehr da.«
»Ich kann Soaris bitten, sie zu suchen. Niemand muss erfahren, dass du sie suchst. Auch Anya nicht.«
Ganz besonders Anya nicht. »Danke.«
»Ich freue mich, dass du bist, wie du bist.« Zwei warme Arme umfingen ihn und ihre Lippen trafen sich.
Ich freue mich auch … nach all den Jähren.
LXVII
D er hagere Kinowin saß auf der anderen Seite des runden Tischs und nippte am ersten Apfelwein des Jahres.
Genau wie Myral. Ist es das Alter? Cerryl betrachtete den Becher.
»Der Apfelwein hilft.« Kinowin lächelte. »Ich habe mich früher selbst darüber gewundert, jetzt verstehe ich es. Nun, was gibt es Neues vom Schmied?«
»Er baut eine Stadt. Am Anfang war ich noch nicht sicher«, räumte Cerryl ein, »aber in etwa zwei Achttagen wird dort die Keimzelle einer neuen Hafenstadt entstanden sein. Die Schwarzen lassen ihn gewähren, einige schicken sogar Bauholz und anderes Material.«
»Vielleicht geht es ihnen nur darum, einen zweiten guten Hafen zu bekommen«, meinte der Obermagier. Er nestelte an dem Kometenschweif herum, der seinen Kragen zierte. »Die See ist dort im Winter ruhiger.«
»Sie haben sogar ein Kai aus Holz gebaut und im Glas kann ich Mauern und das Fundament einer steinernen Pier sehen. Er verändert die Bucht und erweitert sie, aber er benutzt dazu eine Art von Ordnungs-Kraft.«
»Auf diese Weise kann man Ordnung nicht einsetzen«, widersprach Kinowin.
»Er hat eine Art von Ordnungs-Kraft benutzt, um Jeslek zu töten«, gab Cerryl zurück.
»Seid Ihr sicher, dass er nicht einfach nur die Ordnung benutzt hat, um die Kräfte zu bündeln?«
Cerryl zuckte mit den Achseln. »Das könnte sein, aber er ist so Schwarz, wie man nur sein kann, und hat keine Spur Chaos in sich. Wie konnte er solch eine Kraft entwickeln? Das Chaos ist die einzige mir bekannte Kraft, die eine so starke Wirkung entfalten kann.«
Kinowin knetete sein glatt rasiertes Kinn, sein Blick wanderte unsicher zum purpurnen und blauen Wandbehang. »Cammaborke oder Sprengstoff, würde ich sagen. Er hat den Sprengsatz in Schwarzes Eisen gesteckt, damit wir die Ladung nicht vorzeitig zünden können.«
»Und wenn er nun eine größere Sprengladung baut als die, die er bei sich trug?«
Der Obermagier lächelte leicht. »Wenn er es nicht tut, wird es jemand anders tun. So geht es gewöhnlich.«
»Er könnte die Energie gegen unsere Lanzenreiter einsetzen oder …«
»Das wird nicht klappen«, unterbrach Kinowin ihn. »Er kann nur eine begrenzte Menge Schwarzes Eisen schmieden. Wahrscheinlich könnte er nicht einmal genug davon herstellen, um auch nur ein paar Kompanien unserer Lanzenreiter auszuschalten. Es ist eine Waffe, die nicht in beliebiger Stückzahl hergestellt werden kann.« Er lachte. »Gut gegen Magier einzusetzen, aber sonst kaum brauchbar. Dorrin ist nicht in Diev geblieben und Ihr werdet sicher bemerkt haben, dass Sterol es vermieden hat, mit Euch dreien über die Waffe zu sprechen.«
»Ich habe mir meine Gedanken gemacht, aber dies ist nichts, worüber man mit dem Erzmagier so einfach reden kann.« Cerryl lachte in sich hinein.
»Passt nur auf, ob der Schmied noch etwas anderes baut. Ich werde ihm unterdessen von der Stadt und dem neuen Hafen berichten«, meinte Kinowin. »Jetzt sind wir uns ja sicher, was er tut. Bisher habe ich ihm nur erzählt, dass das Schiff aus dem bewohnten Teil von Recluce abgezogen wurde. Darüber hat er bloß gelacht.«
»Jetzt wird er nicht mehr lachen.«
»Nein. Er wird versuchen, Euch die Schuld zu geben. Deshalb werde ich, bevor ich mit ihm spreche, einen kurzen Schriftsatz anfertigen und Redark und einigen anderen zu lesen geben.« Kinowin grinste schief. »Das muss noch heute Nachmittag geschehen. Wir dürfen ihm keinen Anlass zu der Behauptung geben, wir hätten unseren Bericht unangemessen hinausgezögert.«
»Und dann?«
»Ehr liefert mir jeden Tag einen kurzen schriftlichen Bericht. Mit einem Datum versehen, wisst Ihr … der fünfzigste Tag nach Frühlingsbeginn … der erste Tag nach
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