Der magische Pflug
ein Wort zu sagen, stopfte er die Briefe in seine Tasche, ging hinaus, bestieg sein Pferd und kehrte nach Hause zurück. Unterwegs wurde sein Herz ständig zwischen Zorn und Furcht zerrissen. Wie konnte es dieser Emanzipationistenpöbel im Norden zulassen, daß sein Sklave, sein Sohn, vor ihren Augen vom schlimmsten Feind des Aufsehers entführt wurde? Ich gehe in den Norden! Die lasse ich dafür bezahlen! Ich werde den Jungen finden, ich – und dann kehrten seine Gedanken plötzlich wieder zu der Frage zurück, was der Aufseher dazu sagen würde, sollte er jemals wiederkommen. Was, wenn er mich jetzt verachtet und niemals wiederkehrt? Oder schlimmer, wenn er kommt und mich als nachlässigen Diener verdammt? Oder wenn er mich für unwürdig erklärt und mir verbietet, weiterhin schwarze Frauen zu nehmen? Wie könnte ich denn dann noch leben, wenn nicht in seinem Dienst – was hätte mein Leben denn sonst noch für einen Sinn?
Und dann wieder die Wut, der schreckliche, blasphemische Zorn, in dem er aus der Tiefe seiner Seele ausrief: O mein Aufseher! Warum hast du das geschehen lassen? Nur ein Wort von dir, und du hättest es verhindert, wenn du ein wahrhaftiger Herrscher wärst!
Und dann Entsetzen: Die Macht des Aufsehers in Frage zu stellen! Nein, vergib mir, ich bin wahrhaftig dein Sklave, o Herr! Vergib mir, ich habe alles verloren, verzeih mir!
Armer Cavil. Er sollte noch früh genug feststellen, was es bedeutete, alles zu verlieren.
Er kehrte nach Hause zurück und lenkte das Pferd auf die lange Zufahrt, die zum Haus führte; aber weil die Sonne noch heiß brannte, hielt er sich im Schatten der Eichen an der Südflanke des Weges. Wäre er mitten auf dem Weg geritten, hätte man ihn vielleicht früher gesehen. Vielleicht hätte er dann nicht den Schrei einer Frau im Haus vernommen, als er gerade unter den Bäumen her vorritt.
»Dolores!« rief er. »Stimmt etwas nicht?«
Keine Antwort.
Das jagte ihm Angst ein. Vor seinem inneren Auge beschwor er Bilder von Räubern oder Dieben oder ähnlichem, die während seiner Abwesenheit ins Haus eingebrochen waren. Vielleicht hatten sie Lashman bereits getötet, vielleicht standen sie gerade im Begriff, seine Frau zu töten. Er gab dem Pferd die Sporen und jagte hinten ums Haus.
Gerade noch rechtzeitig, um einen großen Schwarzen zu sehen, der aus der Hintertür herausstürzte und auf die Sklavenunterkünfte zulief. Er konnte das Gesicht des schwarzen Mannes nicht erkennen. Schuld daran war die Hose, die er nicht etwa anhatte, wie er überhaupt gänzlich unbekleidet war – nein, er hielt die Hose wie eine Fahne, die vor dem Gesicht wehte, während er auf die Schuppen zulief.
Ein Schwarzer, der ohne Hose aus meinem Haus herausgelaufen kommt, in dem gerade eine Frau aufgeschrien hat. Für einen Augenblick war Cavil hin- und hingerissen zwischen dem Verlangen, dem Schwarzen nachzujagen, um ihn mit bloßen Händen zu töten, und dem Bedürfnis, hinaufzugehen und nach Dolores zu sehen, sich davon zu überzeugen, daß sie unversehrt war. War er noch rechtzeitig gekommen? War sie noch unbefleckt?
Cavil hetzte die Treppe hoch und riß die Tür zum Zimmer seiner Frau auf. Da lag Dolores im Bett, die Decke bis ans Kinn hochgezogen, und sah ihn mit weit aufgerissenen, verschreckten Augen an.
»Was ist passiert!« rief Cavil. »Bist du in Ordnung?«
»Natürlich bin ich das!« antwortete sie scharf. »Was machst du schon hier zu Hause?«
Das war keine Antwort, wie man sie von einer Frau erwartete, die noch gerade eben vor Furcht aufgeschrien hatte. »Ich habe dich rufen hören«, sagte Cavil. »Hast du denn meine Antwort nicht gehört?«
»Hier oben höre ich alles«, versetzte Dolores. »Mein ganzes Leben lang habe ich nichts anderes zu tun, als hier zu liegen und zuzuhören. Ich höre alles, was in diesem Haus gesagt wird, und auch alles, was getan wird. Ja, ich habe dich rufen hören. Aber du hast nicht mir geantwortet.«
Cavil war erstaunt. Sie klang zornig. Noch nie hatte er sie zornig erlebt. In letzter Zeit hatte er kaum ein Wort von ihr vernommen – immer schlief sie noch, wenn er frühstückte, und ihre Abendessen hatten sie in Schweigen verbracht.
Und nun dieser Zorn – warum? Warum jetzt?
»Ich habe einen schwarzen Mann gesehen, der aus dem Haus gelaufen ist«, erklärte Cavil. »Ich dachte, vielleicht hätte er …«
»Vielleicht hätte er was?« Sie sagte es wie eine Herausforderung, wie Hohn.
»Vielleicht hat er dir wehgetan.«
»Nein, wehgetan hat
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