Der magische Pflug
Gesicht zu schlagen.
Bis es ihm schließlich dämmerte, wie er so mit der bebenden Rute dastand. Es war nicht etwa Hank, der diesen Jungen haßte, o nein. Es war das Wasser, dem Hank so gut diente. Das Wasser wollte diesen Jungen tot wissen.
Sobald Hank dieser Gedanke gekommen war, zwang er ihn gleich nieder, schluckte die Übelkeit herunter, die in ihm aufwallte. Das war wirklich die verrückteste Idee, die ihm je durch den Kopf geschossen war. Wasser war Wasser. Und Wasser wollte nichts anderes, als aus dem Boden hervorzutreten oder aus den Wolken in die Tiefe zu stürzen und über das Antlitz der Erde zu tosen. Es war nicht bösartig, hatte nicht den Wunsch, zu töten. Und außerdem war Hank Dowser ein Christ, noch dazu ein Baptist – eine bessere Rutengängerreligion konnte es ja wohl kaum geben. Wenn er die Leute unter Wasser tauchte, dann, um sie zu taufen und sie zu Jesus zu bringen, nicht aber, um sie zu ertränken. In Hanks Herzen lauerte kein Mord, dort thronte vielmehr sein Heiland, der ihn lehrte, daß es schon fast Mord war, wenn man einen anderen Menschen auch nur haßte.
Hank sprach ein stummes Gebet zu Jesus, damit dieser ihm den Zorn aus seinem Herzen nahm. Damit Jesus den Wunsch nach dem Tod dieses unschuldigen Jungen von ihm nahm.
Wie zur Antwort sprang die Rute plötzlich aus dem Boden hervor, riß sich aus seinen Händen und landete an die elf Ellen entfernt im Gebüsch.
So etwas war Hank in seiner ganzen Zeit als Rutengänger noch nie passiert. Daß eine Rute plötzlich so davonfliegen konnte!
Ja, es war fast, als hätte das Wasser selbst ihm eine Ohrfeige verpaßt, wie es eine feine Dame tat, wenn ein Mann in ihrer Gegenwart fluchte.
»Der Graben ist fertig«, sagte der Junge.
Hank sah ihn scharf an, um festzustellen, ob dem Jungen irgend etwas Seltsames daran aufgefallen war, daß die Rute davongesegelt war. Doch der Junge beachtete ihn nicht einmal. Er sah bloß auf den Boden im Innern des Quadrats, das er ausgehoben hatte.
»Gute Arbeit«, sagte Hank. Er versuchte den Abscheu, den er empfand, aus seiner Stimme zu verbannen.
»Wird nichts nützen, hier zu graben«, meinte der Junge.
Hank traute seinen Ohren nicht. Es war ja schon schlimm genug, daß der Junge seinen eigenen Meister zurechtwies, in einem Handwerk, von dem er was verstand; aber was, um alles in der Welt, konnte dieser Junge vom Rutengehen verstehen?
»Was hast du da gerade gesagt, Junge?« fragte Hank.
Der Junge mußte die Drohung in Hanks Miene wahrgenommen oder die Wut in seiner Stimme bemerkt haben, denn er machte sofort einen Rückzieher. »Nichts, Sir«, sagte er. »Es geht mich ohnehin nichts an.«
Aber Hanks Wut hatte sich bereits so aufgestaut, daß er den Jungen nicht so leicht entkommen lassen wollte. »Du meinst wohl, du könntest auch gleich meine Arbeit erledigen, was? Vielleicht läßt dein Meister dich glauben, daß du so tüchtig bist, weil du ein Talent für Hufe hast, aber laß mich dir eins sagen, Junge: Ich bin ein wahrer Rutengänger, und meine Rute sagt mir, daß es hier Wasser gibt!«
»Das stimmt«, sagte der Junge. Er sprach es sanft aus, so daß Hank gar nicht wirklich bemerkte, daß der Lehrling nicht nur vier Zoll größer war als er, sondern wahrscheinlich auch mehr Reichweite hatte. Alvin war zwar nicht so groß, daß man ihn einen Riesen nennen konnte, aber einen Zwerg konnte ihn auch niemand heißen.
»Das stimmt? Es steht dir gar nicht zu, zu entscheiden, ob es stimmt oder nicht, was meine Rute mir sagt!«
»Ich weiß, Sir, ich habe mich danebenbenommen.«
Da kam gerade der Schmied mit einer Schubkarre, einer Picke und zwei kräftigen Stemmeisen herbei. »Was ist hier los?« fragte er.
»Euer Junge war frech zu mir«, sagte Hank. Und während er es aussprach, wußte er, daß das nicht ganz gerecht war – schließlich hatte der Junge sich ja schon entschuldigt, nicht wahr?
Nun endlich fuhr Makepeaces Hand hervor und verpaßte dem Jungen eine Ohrfeige wie der Hieb einer Bärentatze. Alvin geriet zwar ins Torkeln, stürzte aber nicht. »Es tut mir leid, Sir«, sagte Alvin.
»Er hat gesagt, daß da kein Wasser wäre, dort, wo ich den Brunnen bestimmt habe.« Hank konnte sich nicht mehr zügeln. »Ich hatte Respekt vor seinem Talent. Da müßte man eigentlich erwarten, daß er auch Respekt vor dem meinen hat.«
»Talent hin, Talent her«, antwortete der Schmied, »auf jeden Fall wird er Respekt meinen Kunden gegenüber lernen müssen, sonst wird er noch merken, wie lange es
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