Der magische Pflug
gleichgültig, ob es sich in klarem oder in schlammigem Wasser abkühlen muß, habe ich recht?«
»Der Bach, der vom Hügel kommt, wird von Jahr zu Jahr schwächer«, erklärte der Schmied. »Ich brauche einen Brunnen, auf den ich mich verlassen kann. Tief und rein und sauber.«
»Ihr wißt, weshalb der Bach schwächer wird«, erwiderte Hank. »Jedermann gräbt Brunnen und saugt das Wasser ab, bevor es in den Bach gelangen kann. Euer Brunnen wird so ziemlich der letzte sein, den man noch verkraften wird.«
»Das würde mich nicht wundern«, meinte der Schmied. »Aber ich kann ihre Brunnen ja schließlich schlecht zuschütten, und ich brauche auch mein eigenes Wasser. Der Grund, weshalb ich mich hier niedergelassen habe, war der Bach, und jetzt trocknen sie ihn mir aus. Ich könnte natürlich weiterziehen, aber ich habe inzwischen eine Frau und drei Kinder im Haus, und es gefällt mir hier ganz gut. Deshalb möchte ich lieber Wasser ziehen als weggehen.«
Hank schritt zu den Weiden, die in einer Reihe am Bach standen, dort, wo er unter einem alten Bachhaus hervortrat, das inzwischen verfallen wirkte. »Gehört das Euch?« fragte Hank.
»Nein, es gehört dem alten Horace Guester, der auch den Gasthof da hinten besitzt.«
Hank suchte sich eine dünne Weidenrute aus, die sich gerade richtig gabelte, und begann, sie mit dem Messer abzuschneiden. »Das Bachhaus wird nicht viel benutzt, wie mir scheint.«
»Der Bach liegt im Sterben, ich sagte es schon. Im Sommer führt er die halbe Zeit nicht einmal genug Wasser, um die Sahnetöpfe kühl zu halten. Ein Bachhaus nützt nichts, wenn man sich nicht den ganzen Sommer darauf verlassen kann.«
Hank vollzog den letzten Schnitt, und die Weidenrute löste sich. Dann spitzte er das dicke Ende zu und entfernte alle Astknoten, bis die Rute so glatt war wie möglich. Es gab zwar auch Rutengänger, denen es gleichgültig war, wie glatt ihre Rute wurde, die einfach nur das Laubwerk abbrachen und die zerfaserten Enden stehenließen, aber Hank wußte, das Wasser sich nicht immer entdecken lassen wollte, und dann brauchte man eine gute, glatte Weidenrute, um es aufzuspüren. Dann gab es noch andere Rutengänger, die zwar eine saubere Rute verwendeten, aber immer dieselbe, Jahr um Jahr, von einem Ort zum anderen. Doch das taugte auch nichts, wie Hank wußte, denn die Rute müßte von einer Weide oder – manchmal – von einem Walnußbaum stammen, der eben jenes Wasser im Laufe seines Wachstums aufgesaugt hatte, das man finden wollte. Diese anderen Rutengänger waren Scharlatane, auch wenn es nichts nützte, es laut zu sagen. Meistens fanden sie zwar Wasser, denn wenn man nur tief genug grub, mußte man ja schließlich irgendwo Wasser finden. Aber Hank machte es richtig, Hank hatte das wahre Talent. Er spürte, wie die Weidenrute in seinen Händen bebte, fühlte, wie ihm das Wasser unter dem Boden entgegensang. Doch er ließ sich nicht gleich auf das erste Anzeichen von Wasser ein. Er suchte nach klarem Wasser, hohem Wasser, das dicht unter der Oberfläche lag und leicht zu ziehen war. Er war stolz auf seine Arbeit.
Aber das war nicht wie bei diesem Lehrjungen – wie hieß er noch gleich? – Alvin. Das war nicht wie bei dem. Entweder konnte ein Mensch Pferde beschlagen, ohne sie lahm werden zu lassen, oder er konnte es nicht. Wenn ein Pferd jemals lahm wurde, überlegten es die Leute sich zweimal, ob sie ein und denselben Hufschmied wieder bemühen sollten. Aber bei einem Rutengänger schien es keinen Unterschied zu machen, ob man jedesmal Wasser fand oder nicht. Wenn man sich Rutengänger nannte und eine gegabelte Rute besaß, bezahlten einen die Leute dafür, daß man Brunnen mutete, ohne sich die Mühe zu machen, festzustellen, ob man überhaupt das Talent dafür hatte oder nicht.
Als er darüber nachdachte, fragte Hank sich, ob das vielleicht der Grund dafür war, daß er diesen Jungen so haßte – weil der Junge bereits einen guten Namen hatte, was seine Arbeit anging, während Hank überhaupt keinen Ruhm besaß, obwohl er der einzige wirkliche Rutengänger war, der wahrscheinlich jemals durch diese Gegend gekommen war.
Hank setzte sich auf die grasbewachsene Uferböschung und zog die Stiefel aus. Als er den zweiten Stiefel gerade auf einen trockenen Stein stellen wollte, wo wahrscheinlich nicht so viele Insekten hineingelangen würden, erblickte er plötzlich zwei blitzende Augen im Schatten einer dichten Strauchgruppe. Das erschreckte ihn ordentlich, denn erst glaubte
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