Der magische Reif
öffnen, auf der Stelle sterben!«
Samuel löste seinen Blick von der Wand.
»Es gibt einen Weg«, erklärte er langsam, jedes einzelne Wort gewichtend, »einen Weg, den Setni selbst angedeutet hat. Denn als er betonte, wie gefährlich es wäre, in die eigene Vergangenheit zurückzureisen, hat er noch etwas hinzugefügt: >Es sei denn, der Reisende würde in eine hypnotische Trance oder einen magischen Schlaf versetzt. War es nicht so?«
»Ja, das stimmt, ich erinnere mich sehr gut daran. Und? Willst du mir jetzt weismachen, du hättest auch Superkräfte, die so etwas wie einen magischen Schlaf oder eine hypnotische Trance erzeugen können? Du weiß doch nicht einmal, was das bedeutet!«
»Nun ja, ich könnte mir vorstellen, dass es eine Art künstlicher Zustand ist, in dem sich das Bewusstsein verändert. Und in so einem Zustand befindet sich die Seele in so tiefem Schlaf oder ist so verwandelt, dass sie nicht mehr wirklich sie selbst ist – also auch nicht mehr identisch mit ihrer Zwillingsseele, mit der sie konfrontiert wird . . . Das könnte ihre Rettung sein. Hoffe ich zumindest!« »Na toll! Und was willst du mit dieser wunderbaren Theorie anfangen? Schlaftabletten schlucken, bevor es losgeht? Um dort halb k. o. anzukommen? Ich kann mir dein Zusammentreffen mit Rudolf jetzt schon vorstellen!«
»Ich muss gar keine Schlafmittel einnehmen, Lili. In dem Moment, als meine Mutter getötet wurde, war ich bereits eingeschlafen. Oder besser gesagt, der Samuel jener Zeit war bereits eingeschlafen. Narkotisiert, um genau zu sein . . . Denn an jenem Nachmittag bin ich am Blinddarm operiert worden!«
»Die Blinddarmentzündung!«, stammelte Lili. »Die Blinddarmentzündung! Daran hatte ich gar nicht gedacht! Aber . .. aber wie kannst du so sicher sein, dass es zur gleichen Zeit passiert ist, ich meine die Narkose und . . . und das mit deiner Mutter?«
»Ich habe mich genau erkundigt. Hier in der Klinik gibt es eine sehr nette Schwester, Isobel heißt sie. Sie war sogar bereit, im Archiv einen Blick in meine alte Krankenakte zu werfen. Laut Operationsbericht kam ich am 11. Juli um 14:30 Uhr in den OP und habe um 16:30 Uhr den Aufwachraum verlassen. Das heißt, zwischen 14:30 Uhr und 16:30 schwebte der damalige Samuel höchstwahrscheinlich in einer Art künstlichem Schlaf. Oder wie Setni diesen Zustand beschrieben hat. . . Mir bleibt also genügend Zeit, meine Mutter zu warnen und sie zu retten.«
»Mag sein, aber ... Rudolfs Münzen? Wie verlässlich sind sie? Wirst du nicht vielleicht eine Stunde zu früh oder zu spät in Saint Mary ankommen und am Ende doch vom Blitz oder ich weiß nicht welcher höheren Macht erschlagen werden?«
»Keine Angst, Lili, Rudolfs Münzen scheinen zu funktionieren. Auf der, die Alicia und ich benutzt haben, um nach Saint Mary zurückzukommen, stand: Mitternacht. Und wir sind gegen 0:30 in der Buchhandlung angekommen. Vielleicht nicht so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk, aber gar nicht so schlecht! Bei den beiden Münzen vom 11. Juli, die ich aus Rudolfs Schrank mitgenommen habe, steht auf einer 10:00 Uhr und auf der anderen 15:00 Uhr. Ich bin mir sicher, dass Rudolf die letzte benutzt hat. Die Polizei hat Mamas Wagen um 17:00 Uhr gefunden, es muss sich also alles etwas früher am Nachmittag abgespielt haben. Also etwa zur selben Zeit, als ich noch in der Narkose lag .. . Kurz gesagt, wenn ich unterwegs nicht herumtrödele, müsste ich alles verhindern können.«
»Und wenn du es schaffst, wirst du versuchen, sie zu überreden, dir in deine Gegenwart zu folgen?«
»Das ist auf jeden Fall besser, als in der Vergangenheit zu sterben.«
»Zugegeben . . . Aber hat Setni dich nicht auch gewarnt, auf keinen Fall den Lauf der Zeit zu verändern? Weil es unvorstellbare Katastrophen nach sich ziehen könnte? Ist dir klar, welches Risiko du eingehst, wenn du deine Mutter retten willst?«
»Darüber habe ich auch nachgedacht«, antwortete Samuel, dessen graue Zellen während Dr. Hawks Untersuchungen auf Hochtouren gearbeitet hatten. »Indem ich drei Jahre zurückreise, werde ich die Vergangenheit nicht durcheinanderbringen, im Gegenteil, ich werde sie wiederherstellen.«
»Wie bitte?«
»Ganz einfach! Diese Vergangenheit, von der wir sprechen, in der meine Mutter gestorben ist . . . ist nicht die echte Vergangenheit, sondern eine Vergangenheit, die von Rudolf manipuliert worden ist!« »Kannst du dich bitte etwas klarer ausdrücken?« »Na klar! Jener Rudolf, der am 11. Juli bei uns zu
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