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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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draußen und lauschte auf das kleinste Geräusch . . . Ein runder beinahe orangegelber Mond hing hoch am Himmel und die Luft war wunderbar mild. Linkerhand führte ein schmaler Weg steil abwärts zu einem Lager auf einer Art Terrasse. Der Ort war mit Pfählen und Stacheldraht umzäunt und Samuel erinnerte sich, dass es laut mehrerer Zeitungsartikel damals bei den Ausgrabungen zu Diebstählen gekommen war, insbesondere war von gestohlenen Münzen die Rede gewesen.
    Jenseits der Absperrung fiel das Gelände weiter steil nach unten ab, bevor der von kleinen Gräben durchzogene Berghang in die weite Ebene des Nils auslief, dessen dunkles Band sich in der Ferne andeutete. Sam verharrte einen Moment und beobachtete das kleine Zeltdorf, während er überlegte , wie die Chancen standen, dort hineinzukommen. Alles schien zu schlafen, nur in einem Zelt war noch Licht . Allan war in der Familie Faulkner dafür bekannt, dass er immer schlecht einschlafen konnte. Wenn also einer der Schatzgräber mitten in der Nacht noch wach war, dann er!
    Samuel schlich vorsichtig, um seine nackten Füße nicht zu verletzen, an der Felswand entlang. Als er gerade den schmalen Weg nehmen wollte, sah er, wie sich in einer Ecke des Lagers ein Lichtpunkt bewegte. Er verbarg den Goldreif unter seinem Hemd und blieb wie erstarrt stehen. Eine Laterne oder eine Taschenlampe ... in der Hand eines Mannes , der mit einem langen hellen Gewand bekleidet war . An seiner Seite erkannte er eine Art dunklen Sack oder . . . Nein, es handelte sich um einen Hund. Im Lager gab es einen Wachposten, der einen Hund dabeihatte!
    Sollte er lieber umkehren? Samuel versuchte, sich selbst zu beruhigen, indem er sich sagte, dass der Mann die Aufgabe hatte zu verhindern, dass jemand ins Lager eindrang, nicht aber diejenigen zu verjagen, die längst drin waren! Er wartete ab, bis der Wachmann ihm den Rücken zuwandte, dann schlich er geduckt auf dem Weg vorwärts. Er biss sich auf die Lippen, als er einmal mehr erkennen musste, wie empfindlich seine Fußsohlen waren und wie spitz die Steine dieser Welt sein konnten. Auf dem letzten steilen Stück geriet er ins Rutschen und konnte sich gerade noch an einem der Zaunpfähle, die den Weg abgrenzten, auffangen. Gerade als er den Kopf heben wollte, sah er den Wachposten mit seinem Hund ein Stück weiter rechts auftauchen und direkt auf ihn zukommen. Samuel drückte sich flach auf den Boden und fragte sich, ob der leichte Luftzug das Geräusch seiner kleinen Rutschpartie bis dorthin getragen haben konnte. Mehrere Sekunden lang -obwohl es ihm wie eine Ewigkeit erschien — wanderte der Lichtstrahl suchend Richtung Grabkammer hin und her, dann nahm der Wachmann seine Runde wieder auf, als wäre nichts gewesen.
    Sam setzte, geduckt wie eine Katze, seinen Abstieg fort. Ohne weitere Zwischenfälle erreichte er das erste Zelt, eins der größeren, auf dessen Außenwand ein gesticktes Piktogramm prangte, eine Art Schlägel oder Hammer. Er spähte kurz den Hauptweg in der Mitte des Lagers entlang und sah von Weitem den Wachposten, der in seine Richtung ging. Sofort schlüpfte er unter das schützende Zelttuch und zog den Goldreif hervor, um sich in dessen schwachem Schein besser zurechtzufinden. Kisten, Werkzeuge, Lebensmittel . . . ein Vorratslager. Er kauerte sich vor eine Palette Konservendosen und zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Nebenbei merkte er, dass der doppelte Herzschlag in seiner Brust nachgelassen hatte. Vielleicht war die Entfernung zum Stein zu groß . . . Nach etwa einer halben Minute kamen die gemächlichen Schritte des Wachpostens knirschend näher, begleitet vom charakteristischen Tipp-Tapp der Hundepfoten. Auf der Höhe des Zeltes schien das Tier innezuhalten und fing leise an zu knurren. Samuel verkrampfte die Hände zu einem stummen Gebet.
    »Was ist los, Sultan?«, sagte eine alte Männerstimme. »Du hast dein Fressen doch schon gehabt. Gedulde dich, morgen gibt's wieder was! Zeit für meine Zigarette . . .«
    Der Hund knurrte noch immer, doch dann hörte man ein schabendes Geräusch, als würde er an der Leine fortgezogen, und die Schritte entfernten sich endlich. Samuel zählte bis fünfzig, bevor er es wagte, sich zu rühren. Er nahm wieder den Goldreif, um im Dunkeln nicht irgendetwas umzustoßen, als ihm zwei aufeinandergestapelte Kisten in der Nähe des Ausgangs ms Auge fielen: Darauf lag ein langer grauer Mantel, daneben ein Teller mit Dattelkernen und ein Stück von einem fladenartigen Brot. Unten

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