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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif
Autoren: Guillaume Prévost
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Papierstapel, die die Tischplatte bedeckten, machte Sam jedoch eine interessante Entdeckung: An einem Topf mit Stiften lehnte ein Buch mit blauem Einband, über den sich ein Netz aus feinen dunklen Adern zog, darauf prangte eine goldene 13. Genau so sollte die mysteriöse Abhandlung aussehen, die er für den Tätowierten beschaffen sollte!
    Vorsichtig streckte Sam über den Stuhl hinweg seinen Arm nach dem Buch aus. Wenn er schon seinen Vater nicht gefunden hatte, so doch wenigstens eine Lösung, um Alicia schneller als erwartet nach Hause zu bringen . . . Als er jedoch nach dem Buch greifen wollte, streifte der weite Ärmel seines Mantels die Wange des Schlafenden. Der schniefte laut und schüttelte den Kopf, um das vermeintliche Insekt zu verscheuchen. Dann öffnete er schlaftrunken die Augen und sah Sam an. Seine Müdigkeit schien mit einem Schlag verflogen und sein Gesicht verwandelte sich in eine wutverzerrte Pratze. Er knurrte etwas Unverständliches und wollte nach seiner Pistole greifen . . .

 
5.
    Der Traum des Archäologen
     
    Samuel war schneller. Er bekam den Kolben der Waffe zu fassen und richtete sie auf sein Gegenüber.
    »Hände hoch! Versuch nicht aufzustehen oder zu schreien, sonst schieß ich!«
    Das ganze sprudelte er in einer melodiösen Sprache hervor, die zwar einen sehr angenehmen Klang, aber rein gar nichts mit seiner Muttersprache Englisch zu tun hatte. Arabisch? Auf jeden Fall hatten sich die Worte ganz natürlich in seinem Mund geformt – auch die Du-Form – wie jedes Mal, wenn er auf seinen Zeitreisen in fremde Länder kam, so hatte auch jetzt sofort wieder der Zauber des Sonnensteins gewirkt. Was die ausgestoßene Drohung selbst anging, so entsprang sie sicher seiner Leidenschaft für Krimiserien.
    Auf jeden Fall zeigte sie die gewünschte Wirkung: Der Mann hob die Arme. Er musterte Sam mit einer Mischung aus Überraschung und Unwillen, und noch etwas anderes lag in seinem Blick: ein undefinierbarer, leicht abwesender Ausdruck, als ob ein Teil von ihm ganz woanders wäre.
    »Du bist das also, der nachts hier im Lager herumschleicht?«, fragte er mit einem leichten Akzent. »Du bist der, der die Münzen aus dem Grab gestohlen hat?«
    Samuel wollte es gerade abstreiten, als ihm einfiel, dass sein Vater sich, um den Sonnenstein zu aktivieren, notwendigerweise Münzen »ausgeliehen« haben musste. Das war die beste Gelegenheit, ihn zu entlasten.
    »Genau.«
    »Und jetzt willst du dir noch mehr holen, was?«
    »Unter anderem«, antwortete Sam ausweichend.
    »Unter anderem«, wiederholte der Mann mit klagender Stimme . . . Du hast doch aber hoffentlich nicht die Absicht, mir wehzutun?«
    Er wies mit dem Kinn auf eine Streichholzschachtel auf dem Tisch.
    »Die einzige Münze, die ich noch habe, ist da drin. Nimm sie, wenn du willst. Ich werde niemandem etwas verraten, das verspreche ich dir. Aber du bringst mich nicht um, nicht wahr?«
    Der Angstschweiß rann ihm übers Gesicht und klebte sein von der Sonne gebleichtes Haar in feuchten Strähnen an die glänzende Stirn. Seine fahlgrauen, vom Alkohol aufgedunsenen Züge nahmen eine schmutzig gelbe Farbe an. Offensichtlich war der Typ ohnehin schon ziemlich angeschlagen und es wäre gemein gewesen, ihm noch mehr Angst einzujagen. Allerdings schien er viel über die Münzen und diese ganze Geschichte zu wissen.
    »Ich hätte da noch ein paar Fragen«, begann Sam. »Erstens: Wer bist du?«
    »Wer ich bin?«, fragte der Mann erstaunt zurück. »Du hast mich gerade in meinem Zelt überfallen und weißt nicht, wer ich bin?«
    »Ich habe die Waffe in der Hand und ich stelle hier die Fragen«, gab Sam zurück.
    »Ist ja gut, ist ja gut. Mein Name ist Daniel Chamberlain und ich leite hier die Ausgrabungen.« Chamberlain, natürlich! Der Archäologe, der Allan und ein paar andere Studenten für die Ausgrabungsarbeiten eingestellt hatte. Sam hatte einige seiner Interviews zur Grabkammer Setnis gelesen, und wenn er sich recht erinnerte, hatte diese Geschichte mit den gestohlenen Münzen dem Ruf des Wissenschaftlers sehr geschadet. Wahrscheinlich war es das, was ihn so beunruhigte, dass es ihn um den Schlaf brachte!
    Wobei Sam ihn sich nicht als kränkelnden, verängstigten Alkoholiker vorgestellt hatte. Und was hatte er eigentlich mit all den Fotos von Saint Mary in seinem Album vor? Und mit dem blauen Buch, der besagten Abhandlung, auf seinem Schreibtisch?
    »In der Truhe dort liegt ein aufgeschlagenes Fotoalbum«, fragte Sam weiter. »Auf den Fotos
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