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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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Nervensägen sich ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz umdrehten. Samuel wartete noch, bis Rudolfs protziger Geländewagen um die Ecke verschwunden war, dann eilte er wieder nach oben. Jede Sekunde zählte.
    Das Antiquariat Faulkner war nun schon seit drei Wochen geschlossen und die Anwohner der Barnboimstraße dachten wahrscheinlich, es habe für immer zugemacht. Einige unter ihnen würde es freuen, denn abgesehen davon, dass die alte viktorianische Villa nie einen besonders guten Ruf gehabt hatte – sie hatte in der Vergangenheit häufig die Besitzer gewechselt, über die wiederum zahlreiche beunruhigende Gerüchte im Umlauf waren -, war die Eröffnung eines Geschäftes in dieser Gegend von Anfang an als Störung empfunden worden.
    Normalerweise kletterte Sam durch ein Fenster von der Gartenseite herein, um nicht aufzufallen. Da der Tätowierte jedoch offensichtlich über jede seiner Bewegungen informiert war, schien diese Vorsichtsmaßnahme jetzt überflüssig. Er nahm also den Haupteingang, durchquerte den Lesesaal mit den Sofas und den vor Büchern überquellenden Regalen und ging zum Zimmer seines Vaters im ersten Stock. Allans persönliche Dinge – seinen Morgenmantel am Kleiderhaken, seinen Lieblingsstift auf dem Nachttisch – versuchte er, soweit es ging, auszublenden und ging direkt zum Kleiderschrank, um sich eins der altmodischen »Gewänder« herauszusuchen, die sich auf den Zeitreisen als wesentlich bequemer erwiesen hatten als seine normale Alltagskleidung.
    Danach ging er sofort hinunter in den Keller, wo sein Vater einen geheimen Raum eingerichtet hatte, der den Sonnenstein barg. Samuel hatte ihn eines Tages entdeckt, als er im ganzen Haus nach seinem Vater gesucht hatte, wobei ihm der Keller auf einmal irgendwie verkleinert vorgekommen war. Als er im hinteren Teil des Kellers den Wandbehang mit dem Einhorn näher untersucht hatte, war er auf einen dahinter verborgenen Raum gestoßen, dessen Einrichtung aus einem einfachen Feldbett, einer altersschwachen Nachttischlampe und einem leuchtend gelben Hocker bestand. Hier hatte alles angefangen . . .
    Sam schlüpfte hinter den Wandbehang und legte seine Sachen auf dem schmalen Bett ab. Er schaltete das Licht ein, schloss sorgfältig die Tür und holte aus seiner Judotasche den Umschlag des Tätowierten und den in ein Taschentuch gewickelten Goldreif. Dann zog er seine Reisekleidung, ein schlichtes Leinenhemd mit passender Hose, über. Noch während er sich umzog, überkam ihn eine Art Fieberschub, eine unbekannte Hitzewelle, die seinen Brustkorb erfasste und von einem seltsamen Pulsieren, sehr langsam, aus sehr weiter Ferne kommend, begleitet wurde, das seinen Herzschlag aufnahm. Ohne wirklich schmerzhaft oder unangenehm zu sein, gab es ihm doch das Gefühl, in seinem eigenen Körper nicht ganz allein zu sein. Als ob jemand oder etwas Lebendiges sich in ihm eingenistet hätte. Obwohl außer ihm doch niemand im Raum war . . .
    Samuel drehte sich um zum dunkelsten Winkel des Raumes. Der Sonnenstein, natürlich . . . dort im Halbdunkel zeichneten sich die vertrauten steinernen Umrisse ab, auf den ersten Blick vollkommen nichtssagend und doch voller Verheißungen!
    Er nahm den Umschlag und das Taschentuch und trat zu dem grauen Steinblock. Als er seine Hand auf dessen oval abgerundete Oberkante legte, meinte er dasselbe dumpfe Pochen zu spüren, das noch immer in ihm selbst widerklang. Pumm . . . pumm . . . Das gleiche diffuse Hämmern, der gleiche langsame Rhythmus. Pumm . . . Pumm . . . Als wäre sein Körper an den Stein angeschlossen, als spüre er durch ihn seinen eigenen Pulsschlag!
    Er legte den Umschlag auf den Boden und holte den Goldreif heraus. Er leuchtete im Halbdunkel wie die Heiligenscheine auf religiösen Gemälden. Höchstwahrscheinlich hing diese neue und kraftvolle Verbindung mit dem Sonnenstein, die Sam deutlich spürte, mit dem Besitz des Armbands zusammen. Eine Verbindung, die für ihn eine kleine Chance bedeutete . . .
    Samuel zog die Zeichnung von Rom aus dem Umschlag und platzierte sie in der Vertiefung am Fuß des Steins, mit deren Hilfe man Dinge auf die Reise in die Zeit mitnehmen konnte. Dann löste er die Schließe des Armreifs und schob die sechs gelochten Münzen eine nach der anderen darauf wie auf einen Schlüsselbund. Wenn er die passende Anzahl nicht hatte, musste er sich eben auf gut Glück auf den Weg durch die Zeiten begeben und schnell die Münze auftreiben, die ihm noch fehlte . . .
    Sobald er den Goldreif

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