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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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eine gerichtet: die beiden Pulsschläge, die in ihm existierten, in Einklang zu bringen ... Und sein Herz gehorchte, allmählich, und wurde langsamer, als wäre es von jeher darauf eingestellt worden. Sein Puls wurde ruhiger, bis er sich dem Rhythmus des Steins annäherte, ihn dann überlagerte und schließlich mit ihm verschmolz und . . .
    Er öffnete die Augen. Die Grotte um ihn herum hatte sich verändert. Oder nein, es war eher seine Sichtweise, die sich verändert hatte. Alles erschien ihm viel heller, nur in einen grünlichen Nebel gehüllt, der die Konturen verwischte. Auch seine Bewegungen hatten etwas Ungewohntes. Sie lösten in der Luft winzige, deutlich wahrnehmbare Vibrationen aus, die sich in konzentrischen Kreisen wie Ringe auf einer Wasseroberfläche ausbreiteten. Sein verlangsamter Pulsschlag hatte seltsame Auswirkungen auf seine Wahrnehmung der Welt!
    Insbesondere der Sonnenstein erschien ihm in einem ganz neuen Licht . . . Schon allein beim Ansehen konnte Sam nun die genaue Form der Sonne und ihrer Strahlen erahnen, als wären ihre Vertiefungen unter der Oberfläche des Steins bereits vorhanden und warteten nur darauf, freigelegt zu werden. Alle für die Zeitreise notwendigen Elemente waren schon im Stein vorhanden, man musste sie nur erkennen . . .
    Mit neuem Selbstvertrauen hob Samuel den Meißel auf. Auf einmal erschien ihm alles so einfach! Er machte sich daran, mit kleinen Schlägen das Felsgestein zu bearbeiten, um die Sonne freizulegen, die er im Inneren erahnte. Nach und nach kam ein makelloser Kreis zum Vorschein, umgeben von sechs Strahlen, die er mit ebensolcher Geschicklichkeit hervortreten ließ. Mit immer sichererer Hand höhlte er die Vertiefung in der unteren Hälfte des Sonnensteins aus, jeder seiner mit höchster Präzision ausgeführten Schläge formte die Transportvertiefung weiter aus. Wie vor ihm Imhotep, wie Setni oder Gary Barnboim, so lernte jetzt auch er die Kunst des Steinbehauens!
    Nachdem er sein Werk vollendet hatte, legte Sam sein Werkzeug auf den Boden. Er konnte nicht sagen, ob er dafür eher eine Stunde oder eher eine Minute gebraucht hatte: Er schwebte in einem Raum außerhalb alles Zeitlichen, in dem die gewohnten Orientierungspunkte keine Gültigkeit mehr hatten. Er schloss die Augen, um sein Herz wieder den gewohnten Rhythmus aufnehmen zu lassen. Und in dem Moment, als es ihn gefunden hatte, nahm er in der Luft ein kurzes Klacken wahr, wie das Zurückschnellen eines breiten Gummibandes. Irgendwo hatte er dieses Geräusch schon einmal gehört . . . An jenem Tag, als er Setni in dem Haus in Saint Mary getroffen hatte, im Jahre 1932. Sam und seine Cousine waren einer Bande von Schlägern in die Hände gefallen, die das Haus damals besetzt hatten, als Setni wie vom Himmel gesandt aufgetaucht war, um sie zu verteidigen. Als sich die Bande gerade auf ihn hatte stürzen wollen, hatte er seinen Stock gehoben und – oh Wunder! – auf einmal schien alles in Zeitlupe abzulaufen. Die Angreifer waren wie erstarrt, während er wie ein Wirbelsturm über sie fegte und sie in ihre Schranken verwies. Nachdem seine Angreifer außer Gefecht gesetzt waren, hatte Setni seinen Druck zurückgenommen und in einem Peitschenhieb genau wie eben gerade hatte die Zeit mit einem Schlag wieder ihr normales Tempo angenommen. Das gleiche Geräusch, das gleiche Gefühl, irgendwohin transportiert worden zu sein ... Hatte Sam nicht eben gerade die gleiche Tat vollbracht wie Setni? Hatte er nicht auch die Zeit um sich herum angehalten?
    Er öffnete die Augen auf der Suche nach einem Hinweis, der seine Intuition bestätigen würde, doch die Grotte sah schon wieder genauso aus wie immer: kein übernatürliches Licht mehr, nur Halbdunkel und ringsherum graue Felswände. Nichts hatte sich verändert, mit Ausnahme des Steins, auf dem jetzt eine herrliche Sonne eingraviert war und eine Vertiefung, die exakt den Anforderungen entsprach. Sam war es selbst gelungen, eine Tür zu erschaffen, die ihn gleich von hier fortbringen würde!
    Er holte den Plan von Rom aus seiner Tasche und verstaute ihn in der Aushöhlung, bevor er die Goldmünze von Papst Clemens VII. in seine Handfläche gleiten ließ. Alicia hatte schon viel zu lange gewartet . . .

 
11.
    Der Nebelschleier
     
    Auf das Halbdunkel folgte Nebel. .. Als Samuel die Augen öffnete, glaubte er, in ein riesiges weißes Tuch gehüllt zu sein, so dicht hingen die watteartigen Partikel in der Luft und dämpften jedes Geräusch. Auf einer

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