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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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aufeinanderschlagendes Metall. All das mischte sich zu einem unglaublichen Krach, als wollte ein Ansturm aus Soldaten und Pferden jeden Augenblick über Rom hereinbrechen. Der Beginn der Eroberung?
    Samuel beschleunigte seine Schritte und hielt fieberhaft nach einem Zugang zur Stadt Ausschau. Und wenn er es nicht schaffte, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, bevor die Truppen Karls V. ihn überrollten? Im schlimmsten Falle würde er sich in den Fluss stürzen . . .
    »Hier entlang!«
    Eine Stimme, die aus dem Nichts kam.
    »Hier entlang, Mamma! Sie sind an der Porta del Torrione, schnell!«
    Der Stimme nach musste der Ruf von einem jungen Mann irgendwo oberhalb der Mauer kommen. Im selben Moment trat eine Gestalt aus dem Nebel, eine Frau, das Gesicht unter einer Kapuze versteckt, die zwei große Körbe schleppte. Sie schien schon älter zu sein und eilte schwer atmend auf die Stadtmauer zu.
    »Ich bin da, Enzo!«, rief sie stotternd. »Halt die Leiter fest, ich . . .«
    Als sie Samuel bemerkte, stutzte sie. »Was machst du hier, ragazzo? Alle sollen drinnen bleiben!«
    Sie wandte ihm ihr fülliges, von Falten durchzogenes Gesicht zu, aus dem ihn zwei lebhafte, große braune Augen ansahen.
    »Das versuche ich ja gerade«, entgegnete Sam schlagfertig in einer singenden Sprache, die angenehm über die Zunge rollte. »Ich bin unten am Ufer eingeschlafen, und als ich aufwachte, war da dieser Nebel. Ich muss mich verirrt haben . . .«
    Im Laufe seiner Reisen war Samuel ein wahrer Meister darin geworden, ebenso vage wie plausible Erklärungen abzugeben über sein plötzliches Auftauchen in Welten, in die er eigentlich nicht hineingehörte. Die Unbekannte beäugte ihn misstrauisch:
    »Du musst ganz schön betrunken gewesen sein, wenn du hier draußen einschläfst, bei allem, was sich zusammenbraut!«
    »Ah ... Ja, ich hatte wohl etwas viel getrunken«, log Sam und machte ein beschämtes Gesicht.
    »Sämtliche Stadttore sind verschlossen, ragazzo, da wirst du sowieso nicht durchkommen! Weißt du denn gar nicht, dass die Armee dieses verfluchten Karl beschlossen hat, uns zu belagern?«
    »Mamma!«, ertönte die Stimme von oben. »Ich muss jetzt gehen und meinen Posten auf den Zinnen einnehmen!«
    »Das ist Enzo, mein Gehilfe«, erklärte die alte Dame. »Er scheint es eilig zu haben, einen Spieß oder einen Pfeil abzukriegen! Der Dummkopf! Als ob er allein die Stadt vor dem Untergang bewahren würde! Aber ach, mit ihm ist nicht zu reden, er hebt seine Stadt mehr als sich selbst...«
    Sie reichte Sam einen ihrer mit einem Tuch abgedeckten Körbe.
    »Hier, hilf mir mal, ragazzo. Wenn ich schon Enzos Leben nicht retten kann, dann vielleicht deines.«
    Mit kleinen schnellen Schritten setzte sie ihren Weg durch den Nebel fort und steuerte auf einen Punkt der Stadtmauer zu, den nur sie erkennen konnte. Eine grob zusammengezimmerte Leiter lehnte dort an der Steinwand, deren oberstes Ende in den Nebelschwaden verschwand. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters machte sie sich schwungvoll daran, die Sprossen zu erklimmen, und Samuel sah sie im grauen Nebel verschwinden.
    »Komm schon, ragazzo«, befahl sie nach ein paar Sekunden, »und pass auf, dass du meine Ernte nicht auskippst!«
    Samuel schob seinen Arm unter den Henkel des Korbes und kletterte die wacklige Leiter hinauf. Auf den letzten Stufen angekommen, ergriff er dankbar die helfende Hand eines jungen Mannes mit dichtem dunklem Haar. Sam stieg über den Fenstersims und stand in einer Dachkammer, in der auf zwei Tischen Pflanzen und Blätter zum Trocknen ausgebreitet waren. Sie strömten eine so intensive Mischung verschiedener Düfte aus, dass ihm beinahe schwindelig wurde.
    »Zieh die Leiter rein, Enzo, und schließ die Fensterläden«, sagte Mamma.
    Während er ihre Anweisungen befolgte, drehte Enzo sich aufgeregt zu Sam um: »Du warst also draußen . . . Hast du Neuigkeiten mitgebracht? Hier sagen sie, es sind mindestens zwanzig-, vielleicht sogar dreißigtausend! Sie sollen eine halbe Wegstunde von hier Stellung bezogen haben, auf dem Janiculus, und dass sie vorhaben, von mehreren Seiten aus gleichzeitig anzugreifen . . . Man erzählt sich auch, dass außer Spaniern und Deutschen Söldner aus ganz Europa unter ihnen sind, Gaskogner, Burgunder, Graubündner und sogar auch Italiener im Dienste dieser Verräter von Colonna – möge ihnen die Haut auf dem Rücken rosten! Und dass dieses ganze Gesindel entschlossen ist, alles zu töten, was ihnen in die Quere kommt! Wenn

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