Der magische Reiter reiter1
meiner Küche dulde ich kein Pferdeleder.«
Karigan eilte durch die Tür hinaus und konnte dabei gerade
noch einem Diener mit einem Tablett leerer Krüge ausweichen. Sie trat hinter der Tür beiseite, um weitere Zusammenstöße zu verhindern.
Der Gemeinschaftsraum war sauber und still – ein gutes Zeichen. Lediglich eine Handvoll Tische war besetzt. Neben dem Kamin saß eine Frau, die einem stämmigen Mann und einer ebenso stämmigen Frau die Karten legte. Sie lachten schallend über die Vorhersagen, die die Weissagerin machte. Ein einzelner Musiker stimmte in einer Ecke seine Laute. Nach allem, was sie bisher von Norden zu sehen bekommen hatte, entsprach das hier überhaupt nicht dem, was sie erwartet hatte.
»Habt Ihr einen Wunsch, junge Dame?«
Der Musiker blickte sie eindringlich an. Sie hatte den gleichen Ausdruck schon oft auf Estrals Gesicht gesehen und wusste, dass Spielleuten wenig entging.
»Oh, nein. Im Augenblick nicht.«
Der Mann mittleren Alters neigte graziös den Kopf und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Laute zu. Zum Aufwärmen zupfte er ein leises Lied.
Ein hagerer Mann mit schütterem rotem Haar kam auf sie zu. Seine vornehme Weste und der elegante Mantel ließen vermuten, dass er entweder Kaufmann oder Gastwirt war. Aus irgendeinem Grund hatte Karigan stets angenommen, dass Gastwirte etwas rundlicher waren.
»Ihr wünscht ein Zimmer?«, fragte er.
»Ja. Ein Einzelzimmer.«
Er hob abschätzend die Brauen und versuchte, da war sie sich sicher, zu ergründen, ob sie ein Einzelzimmer überhaupt bezahlen konnte. Seine Miene drückte Zweifel aus, doch er machte auf dem Absatz kehrt. »Hier entlang«, sagte er.
Er führte sie eine schmale Treppe hinauf in den zweiten Stock.
Das Zimmer, das er ihr zeigte, war nur geringfügig größer als die Kammer, die sie in Selium bewohnt hatte, wirkte jedoch sauber, das Bett bequem. Die Matratze war mit Federn anstelle von Stroh gefüllt, und eine dicke Steppdecke lag darauf. Eine Öllampe – und nicht etwa ein Talglicht oder eine Kerze – stand auf einem Tisch neben dem Bett. Sie begann sich zu fragen, wie hoch sich die Kosten für eine Übernachtung wohl belaufen würden und ob sie womöglich in der Küche beim Geschirrspülen oder im Stall beim Ausmisten enden würde. Aber alles war besser, als die Nacht in einer der anderen liederlichen Kaschemmen zu verbringen.
»Der Preis«, sagte der Gastwirt, »beträgt vier Silberstücke. « Er hielt erwartungsvoll die Hand auf.
Karigan klappte der Unterkiefer herunter. Wucher! Normalerweise betrug der Preis für ein solches Zimmer zwei Silberstücke, und schon das wurde gemeinhin als etwas zu hoch angesehen. Der Gastwirt stand weiter mit ausgestreckter Hand da, und seine Miene wurde immer misstrauischer. Karigan schürzte die Lippen und kramte in ihrer Tasche herum. Sie ließ die kostbaren Silberstücke in seine Hand fallen. Er verbeugte sich.
»Wir sind hier in Norden«, sagte der Gastwirt. »Der zusätzliche Betrag dient der Sicherheit. Sobald Ihr Euch eingerichtet habt, könnt Ihr Euer Abendessen einnehmen.« Er schielte auf ihren Säbel und schniefte. »Waffen werden gewöhnlich in den Gästezimmern gelassen.« Karigan rückte das durchsackende Schwertkoppel selbstbewusst wieder an die richtige Stelle. Der Gastwirt löste einen Schlüssel von einem Ring an seinem Gürtel. »Wenn Ihr wegen Eurer … Wertgegenstände
beunruhigt seid, verwendet den hier.« Es war offensichtlich, dass er ihr nicht zutraute, etwas von größerem Wert zu besitzen.
Du würdest mich ganz anders behandeln, wenn du wüsstest, dass ich die Erbin des reichen Clans G’ladheon bin. »Vielen Dank.« Sie nahm den Schlüssel und knallte dem Gastwirt die Tür vor der Nase zu.
Sie würde gleich zum Abendessen in den Gemeinschaftsraum hinuntergehen, doch erst galt es, sich ein wenig zu erfrischen. Sie spritzte sich Wasser aus einer Waschschüssel ins Gesicht und dachte über die Ereignisse des Tages nach. Erst die Baumdiebe in Abrams Wald, dann der seltsame Reiter, gefolgt von einer toten Reiterin auf einem Karren. Garl, der Karrenfahrer, hatte gesagt, sie habe sich nach einem Mädchen erkundigt. Der Stallbursche erwähnte, dass eine Grüne nach einem Pferd gefragt hatte. Weshalb hatte die Reiterin nach einem Mädchen gesucht statt nach F’ryan Coblebay?
Karigan riss den Kopf hoch. Wasser tropfte von ihrem Gesicht und platschte in die Waschschüssel. Sie kann doch unmöglich nach mir gesucht haben, oder? Woher sollte jemand
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