Der magische Reiter reiter1
sie gegen eine Wand gelaufen, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen, war etwas mit Macht durch ihren Körper gestoben, und sie fiel Stück für Stück auseinander, wie Federn, die in einer weichen Flut aus einem geplatzten Kissen hervorwirbeln.
Sie lag auf einem Feld, in Sonnenschein getaucht. Sonnenschein sickerte durch ihre geschlossenen Augen. Astern und Goldruten summten von Bienen, die von einer Blüte zur anderen huschten. Eine Schwalbe tschilpte irgendwo über ihr. Sie fühlte sich behaglich und schläfrig. Das Licht, das Licht … Etwas Kühles und Feuchtes strich über ihre Wange …
Zeit und Bewegung rasteten wieder ein, wie das Schloss an einer Tür. Karigan schüttelte den Kopf, bestrebt, das durchdringende Summen der Bienen und die Lichterflut loszuwerden. Sie seufzte, schloss die Augen und ließ sich nieder, um ihr
Nickerchen fortzusetzen, doch das kühle, feuchte Etwas leckte nun ihre Hand. Sie öffnete einen Spaltbreit ein Auge. Ein braunes Augenpaar starrte ihr unter einem weißen Fellknäuel hervor entgegen. Der Terrier japste und blickte sie mit einem Grinsen an.
Karigan riss die Augen auf. Hund! Burg! Zacharias! Sie setzte sich zu hastig und sank in einer spiralförmigen Bewegung wieder auf den wollenen Läufer vor dem Podest des Königs zurück. Das Summen erfüllte aufs Neue ihren Kopf, doch vielleicht waren es auch die Stimmen der Leute ringsum. Als sie diesmal aufschaute, deuteten vier Schwerter auf ihre Brust, von schwarz gekleideten Waffen gehalten.
»Diese Grüne Reiterin habe ich noch nie gesehen.« Eine Männerstimme mit hartem Unterton.
»Könnte sie eine weitere Attentäterin sein?«, fragte die Frau.
»Ihr Erscheinen hier riecht nach Magie«, sagte ein zweiter Mann schnüffelnd.
Karigan war auf die Botentasche gefallen. Sie wälzte sich zur Seite, um sie freizugeben, und die Waffen pressten ihr die Schwertspitzen gegen die Brust.
»Botschaft.« Karigan hatte den Eindruck, ihre Zunge fülle den ganzen Mund aus. »Botschaft für den König.«
»Zeig sie uns«, sagte der erste Mann.
Karigan nahm die Botschaft aus der Tasche und reichte sie einer Waffe, die sie ihrerseits an jemanden weitergab, den sie nicht sehen konnte. Unverständliches Gemurmel hallte von den Wänden des gewölbeartigen Raums wider, das eher wie Geflüster von den Figuren auf den Fresken an der Decke klang. Die vom Alter rissigen Bilder der Könige, Königinnen und Ritter sowie des Gottes Aeryc, der auf dem Sichelmond
ritt, und der Göttin Aeryon, die vom Glorienschein der Sonne umgeben hinter einer Wolke hervorspähte, blickten alle auf sie herab. Unter ihnen, in der Mitte, befand sich ein großes schwarzes Pferd, dessen gebeugter Nacken und dessen Flanken sich in der Bewegung kräuselten.
»… Spion«, schien eine Königin von oben zu sagen.
»Diese Botschaft stammt von F’ryan Coblebay, doch das ist …«
»… unwesentlich und belanglos. Es ist die Magie, die ich …«
»Zu jung für einen …«
»Man sollte sie in Fesseln legen und befragen …«
»… unwesentlich.«
Karigan trieb auf der Suche nach dem sonnenbeschienenen Feld wieder davon, doch sie konnte es nicht finden. Die Waffen packten sie grob unter den Armen und rissen sie auf die Beine. Jemand nahm ihr den Säbel ab. Sie protestierte schwach, jedoch niemand schien es zu hören.
»Sperrt sie ein, bis wir eine Entscheidung getroffen haben.«
»Nicht in einen Kerker«, sagte eine sanftere Stimme, die Karigan zum ersten Mal vernahm. Die breiten Schultern der Waffen versperrten ihr die Sicht, so dass sie nicht erkennen konnte, wer gesprochen hatte. »Nehmt eines der Gästezimmer und bewacht es.«
»Aber Majestät«, sagte die barsche Stimme, »Ihr könntet Euch in Gefahr bringen. Diese Person bedient sich in einem Maße der Magie, wie wir es noch nie erlebt haben.«
»Und alle Kerker der Welt könnten sie nicht halten, wenn sie es wieder tut. Ein Gästezimmer. Wirkt sie in ihrem derzeitigen Zustand bedrohlich auf dich, Crowe?«
»Majestät, ich bitte um Vergebung, aber vielleicht will sie diesen Eindruck ja erwecken.«
»Von allen dummen Einfällen, die mir schon zu Ohren gekommen sind, ist das der dümmste«, sagte eine neue Stimme aus Richtung des Eingangs. Sie gehörte einer Frau, die gewohnt war, Befehle zu erteilen. Die Waffen versperrten Karigan noch immer die Sicht, doch sie hörte das Klacken von Stiefeln auf den Bodenfliesen, als die Frau näher kam. Sie ging vorbei, und das Klacken hörte auf. »Euer
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