Der magische Reiter reiter1
und starrte dumpf den Säbel an, von dem Blut tropfte, und dann Immerez, der stöhnend auf dem Boden lag. Seine Hand befand sich mehrere Meter entfernt, wie in einer Vision, die sie einmal gehabt hatte. Der Hufschlag in ihrem Kopf übertönte seine Schreie.
»Pferd!«, rief sie, doch er war schon neben ihr und bebte vor einer Energie, die sie nicht begriff. Sarges und Thursgads Gäule tänzelten verängstigt. Selbst das Tier des Schattenmanns scharrte mit den Hufen auf dem Boden, sein Hals schaumig von Schweiß. Immerez’ Hengst war davongerannt.
Steig auf. Die Stimme durchdrang den Hufschlag, der in ihren Ohren dröhnte. Sie gehorchte, und der gleichmäßige Ablauf der Welt wurde gestört.
Thursgad und Sarge und ihre Pferde drehten sich langsam, jede Bewegung schleppend und übertrieben, unwirklich.
Alles verschwamm vor Karigans Augen, außer ihr selbst und Pferd … und dem Schattenmann.
Der Schattenmann saß ruhig auf seinem Hengst. Ein Bogen tauchte in seiner Hand auf, die vorher keinen gehalten hatte. Er zog zwei Pfeile aus seinem Köcher, jeder mit schwarzem Schaft und roter Befiederung. Er setzte einen davon an die Bogensehne.
Reite!, befahl die Stimme.
Karigan wagte es nicht, sich zu weigern. Sie presste Pferds Flanken zusammen, als der erste Pfeil sich löste. Pferd brach in Galopp aus. Das Blau des Himmels, das Grün und Braun der Wälder und Felder zog in Schlieren vorbei. Die Gebäude eines Dorfs waren ein Fleck, den sie zurückließ. Zwei Pfeile, wusste sie, schwirrten hinter ihr her und würden erst innehalten, wenn sie ihr Ziel gefunden hatten.
Der Wind heulte ihr entgegen, löste ihr geflochtenes Haar. Der Rhythmus von Pferds Hufen hämmerte durch ihren ganzen Körper, und doch hatte sie den Eindruck zu fliegen.
Es gab noch andere hämmernde Hufe, andere Reiter vor ihr, milchig weiß und durchscheinend. Bäume und Gebäude hinderten sie nicht, sie ritten einfach hindurch. Sie riefen ihr von weither zu, mit Stimmen, die wie Kampfgeschrei klangen: Reite, Grüne, reite! Das ist der Wilde Ritt!
Kalte Arme umschlangen von hinten ihre Taille. Reite, flüsterte F’ryan Coblebay. Das ist der Wilde Ritt.
Je verschwommener die Landschaft wurde, desto deutlicher wurden die Reiter. Männer und Frauen in Mänteln oder langen Jacken, die nebeneinander herpreschten, manche in leichter Kampfrüstung auf Schlachtrössern und manche, die in Uniformen aus früherer Zeit auf mageren Botenpferden ritten. Alle bewegten sich mit derselben unnatürlichen Geschwindigkeit
voran wie sie und Pferd, obwohl sie lediglich galoppierten. Sie alle waren Grüne Reiter aus vergangenen Zeiten, und sie alle waren tot. Welchen Vorteil hatten die Geister davon, wenn sie überlebte?
Reite, Grüne, reite!
Ihr gemeinsamer Ruf brachte die Welt dazu, sich schneller zu drehen, und noch immer sprintete Pferd blindlings geradeaus. Ihre blassen Gesichter waren jung, nur wenige alt. Manche Reiter ließen ihren Säbel über dem Kopf kreisen, andere schüttelten drohend die Faust, und ihr Gebrüll hallte von einem weit entfernten Ort zu ihr wider. Kalter Schweiß trat ihr am ganzen Körper aus, während sie mit der gespenstischen Kavallerie dahinpreschte.
Die Pfeile folgten ihnen mit derselben Geschwindigkeit, wusste sie. Sie hörte, wie sie die Luft durchschnitten. Wie lange mochte dieser Ritt noch andauern?
Reite, Grüne, reite! Das ist der Wilde Ritt!
Der gemeinsame Ruf erklang im Rhythmus der hämmernden Pferdehufe und ihres Herzschlags, der überlaut in ihren Ohren dröhnte.
Sie brennen.
Erst wusste Karigan nicht, was F’ryan meinte. Brannten die Geister?
Die Pfeile brennen.
Karigan warf einen Blick über ihre Schulter, und es brachte sie aus der Fassung, durch F’ryans durchscheinende Gestalt zu sehen. Die Pfeile standen wahrhaftig in Flammen, fielen zurück. Siegesgeschrei erhob sich wie ein Windstoß unter den Geisterreitern. Sie zügelten ihre Reittiere, und auch Pferd verlangsamte seine Gangart, als ihm die Richtung abhandenkam. Es hielten zwar alle an, doch die Welt raste weiter an
ihnen vorbei, als werde sie von einer geisterhaften Strömung fortgerissen.
»Weshalb?«, fragte Karigan.
F’ryan Coblebay glitt von Pferd herunter und zog sich zurück, verschmolz mit den anderen. Ich kann erst ruhen, wenn du diese Mission abgeschlossen hast. Seine Stimme verklang. Es war ein guter Ritt.
»Weshalb?«, fragte Karigan noch einmal, nachdrücklicher, und die Zügel bauschten sich in ihrer Faust. »Weshalb hast du
Weitere Kostenlose Bücher