Der magische Reiter reiter1
stolperte und fiel trotz der Hilfe des Mondsteins. Es schien Jahre zu dauern, bis sie endlich wieder die Lichtung erreichte, auf der die Opfer der Schlacht lagen. Der Rückenschild des Wesens hatte sich im Tod verdunkelt. Sie fühlte sich am ganzen Körper taub. Lediglich die laute Warnung des Adlers verhinderte, dass sie in eine Pfütze aus schwarzem Blut trat.
Pferd sah sie näher kommen. Er lag auf der Seite, die Läufe an den Bauch gezogen, und obwohl sein Hals an der Einstichstelle schaurig angeschwollen war, waren seine Augen hell.
Der Wolf hingegen rührte sich nicht mehr. Karigan schrie vor Wut auf und zerrte an der Klaue, die ihn noch immer fest umklammert hielt, schaukelte ihn vor und zurück. Sein Blick war ohne jeden Trotz und ohne Leben.
»Das lasse ich nicht zu!«
Sie ließ die Klaue fallen und hob ihren Säbel vom Boden auf. Die Klinge war noch schwarz vom Blut des Wesens. Sie ging zu der Kreatur hinüber. Pferd wieherte warnend, doch sie achtete nicht auf ihn. Wieder und wieder schwang sie den Säbel gegen das Wesen, doch er prallte von der Schale ab.
Der Adler flog ihr vors Gesicht, stieß sie zur Seite. Törichter Mensch. Es ist tot.
»Lass mich in Ruhe!« Wieder schwang sie wild den Säbel, hätte fast mitten in der Luft den Adler getroffen, doch sanfte Hände nahmen ihr die Waffe ab. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Hände sehen konnte oder nicht, aber ihre Berührung war kühl. Sie führten sie von der Lichtung herunter und halfen ihr dabei, sich hinzulegen.
Sie schloss die Augen und versank in Träume, in denen Tausende von silbernen Wesen sie stachen und schwarzes Blut trinken ließen, Träume von Feuer und sengenden Schmerzen. Als sie die Augen wieder aufschlug, stand F’ryan Coblebay neben dem Adler und flackerte wie eine Kerze im Wind. Sie konnte keine Worte hören, als sie miteinander sprachen, lediglich ein Wispern, bei dem es sich auch um die Zweige der Bäume handeln mochte, die sich wie dürre Knochen aneinanderrieben. Sie warfen Blicke zu ihr hinüber, sprachen über sie – dessen war sie sicher –, als wäre sie gar nicht da.
»Sprecht mit mir …« Sie hatte es brüllen wollen, doch ihre Lippen und ihr Mund waren so trocken, dass sie nur ein Krächzen herausbrachte.
Sie sah den Wolf. Wie bei F’ryan Coblebay waberte es um ihn herum, er hatte etwas Andersweltliches an sich. Er sah sie geradewegs an, und seine bernsteinfarbenen Augen blickten wieder herausfordernd. Wozu wollte er sie herausfordern? Sie konnte dem Blick nicht standhalten und schloss die Augen. Vor Erschöpfung fiel sie in einen finsteren Schlaf, und kleine Silberscheibenwesen fraßen ihre Gedanken.
SOMIAL VOM ELTFORST
Die Natur der Träume wechselte schlagartig. Sie hörte helle Stimmen um sich herum singen und sprechen. Die Stimmen waren nicht aufdringlich, sondern besänftigend, auch wenn sie die Worte nicht verstehen konnte. Einmal erwachte sie, und eine Myriade Sterne strahlte am Himmel wie Leuchtfeuer, so dass die Nadelbäume sich wie Schattenrisse davor abzeichneten. Sie lag auf einer großen runden Lichtung, die mit weichem Moos gepolstert war, das im Sternenlicht wie Schneeklumpen aussah. Sterne flackerten zwischen den Bäumen … nein, nicht Sterne, sondern Mondsteine … Dutzende davon. Sie war nicht allein.
Licht folgte dem hochgewachsenen und schlanken Volk, das über die Lichtung glitt und zwischen den Bäumen verschwand. Sie setzte sich verblüfft auf, so dass es in ihrem Kopf zu hämmern begann.
»Sachte, Kleines«, sagte eine leise Stimme. Eine Hand an ihrer Schulter drückte sie sanft, aber bestimmt wieder auf den Boden zurück. »Hier wird dir kein Leid geschehen. Du hattest Glück, dass dich in der Stunde der Not Freunde gefunden haben. Du brauchst das Baumvolk aus dem Eltforst nicht zu fürchten.«
Als Karigan wieder in Schlaf sank, hörte sie den Adler sagen: Mein Lord Drannonair von den Bergen ruft mich. Ich
gestehe, dass ich nicht das Bedürfnis verspüre, mich in die Belange erdgebundener Wesen zu mischen, und es wurde auch Zeit, dass ich gehe.
Die leise Stimme lachte kurz auf, und es war ein Freudenlaut. »Ach, Weichfeder, du machst dir doch ständig etwas vor!«
Jemand legte eine kühle Hand auf Karigans brennende Stirn, und sie fiel in tiefen Schlummer. Sie träumte von Festlichkeiten, von einem fröhlichen Volk, das inmitten der Mondsteine sang und lachte und zu einer Musik tanzte, die man nicht hören konnte. Die Frauen, in lange, einfache Gewänder gekleidet,
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