Der magische Reiter reiter1
offene Klaue fuhr auf sie herab, doch im selben Moment schoss ein pelziges Etwas aus dem Unterholz geradewegs auf das Wesen zu. Der Wolf!
Diese neuerliche Störung beendete den Angriff der Kreatur. Der Wolf knurrte, glitt zwischen die Beine des Wesens und brachte es zum Stolpern.
Wieder halfen die unsichtbaren Hände Karigan auf die Beine und reichten ihr das Schwert. Hinkend rannte sie auf das Monster zu, das ihr den Rücken zuwandte, jedoch schneller als sie war und herumfuhr, um sogleich anzugreifen. Der Schwanz fegte über sie hinweg. Ihr Körper war schweißgebadet, und jeder Schritt ihres rechten Fußes schmerzte höllisch. Sie konnte dem Bauch der Kreatur nicht nahe kommen, ohne den Klauen oder dem Schwanz ausgesetzt zu sein.
Der Wolf stellte sich dem Wesen entgegen. Er blickte Karigan aus seinen trotzigen Augen an, dann sprang er hoch und erwischte einen der Fühler. Knackend brach er ab. Öliges schwarzes Blut gischtete aus dem Stummel, und der Wolf ließ das abgebrochene Stück fallen. Schaum stand vor seiner Schnauze. Der Schmerz versetzte die Kreatur in Raserei, und sie schnappte mit einer Klaue nach dem abgelenkten Wolf.
»Nein!«
Karigan huschte zwischen die Klauen und schwang mit beiden Händen den Säbel, schmetterte ihn gegen das Gelenk der Zange, die den Wolf gepackt hielt. Die Klaue und der Wolf krachten zu Boden.
Die Kreatur pfiff und zischte. Nun wagte Karigan sich näher heran und hackte wild drauflos, wenn die Beine oder die andere Klaue in bedrohliche Nähe kamen. Der Adler setzte seine Luftangriffe auf das Wesen fort, zielte dabei beständig auf die Augen, jetzt, da man sich um eine Klaue weniger Sorgen machen musste, nur umso mehr.
Karigan trennte auch noch die zweite Klaue ab und duckte sich unter den Körper. Ohne groß nachzudenken stieß sie
den Säbel in die ledrige Bauchschale und weidete die Kreatur aus. Stinkendes Blut und schwarze wulstige Innereien ergossen sich aus der Wunde. Der Boden unter den Eingeweiden brodelte. Sie riss den Säbel wieder heraus und zog sich in die freie Nachtluft zurück. Das Wesen erschauerte, stolperte über die eigenen Beine und brach leblos auf dem Erdreich zusammen. Karigan wedelte den Gestank beiseite, der sich von dem Kadaver erhob.
Ihre Handgelenke begannen zu schmerzen. »Meine Haut!« Schwarzes Blut hatte sie verätzt.
Der Adler flog zu ihr hinüber. Wasser. Du brauchst Wasser, um darin zu baden. In der Richtung dort habe ich einen Fluss gesehen.
Karigan ließ achtlos den Säbel fallen. Tränen des Schmerzes traten ihr in die Augen. Sie hinkte durch die Wälder hinter dem fliegenden Adler her, taumelnd vor Erschöpfung. Zweige peitschten gegen ihren Mantel und schlugen ihr ins Gesicht. Das dichte Nadeldach der Wälder verdeckte den Mond, und zweimal fiel sie hin. Stöhnend vor Schmerz rappelte sie sich immer wieder auf.
Rasch, sagte der Adler. Es ist nicht mehr weit.
»Mein Wasserschlauch wäre näher gewesen.«
Er hätte nicht ausgereicht. Und er flog über die Bäume hinweg voraus.
Nach einem weiteren Sturz erinnerte Karigan sich an den Mondstein. Als sie ihn aus der Tasche zog, erhellte er die Wälder ringsum mit strahlendem Licht. Ihr Schmerz wich, während sie ihn hielt, und der Weg durch die Wälder fiel ihr leichter.
Der verheißende Flusslauf erschien, ein schimmernder Streifen im Licht des Mondsteins. Sie legte den Stein auf einem
umgekippten Baumstamm ab und ließ sich im feuchten Uferschlamm auf die Knie sinken. Sie tauchte die Handgelenke mit Ärmel und allem in das kalte, lindernde Wasser. Ihr ganzer Körper war erhitzt, als hätte sie in dem ätzenden Blut der Kreatur gebadet. Sie spritzte sich Flusswasser ins Gesicht.
Ich hoffe für dich, dass wir nicht zu spät gekommen sind.
Karigan blickte den Adler an. Im Licht des Mondsteins zeigte sein Gefieder eine Farbenpracht wie ein Regenbogen. »Wie meinst du das?«
Das Blut – es wirkt auch als Gift.
Es war, als höre sie von fern dem Gespräch anderer zu. Sie schöpfte mit den Händen Wasser, um ihren plötzlichen Durst zu löschen.
Wesen wie jene, gegen die wir gerade gekämpft haben, hat man seit dem Langen Krieg nicht mehr gesehen. Der Adler putzte sich ein bisschen, dann sah er teilnahmslos zu, wie sie den ganzen Kopf ins Wasser tauchte.
Ihr Durst war gelöscht, wenigstens für den Augenblick, und so stand sie auf, noch immer benommen.
Was tust du?, fragte der Adler.
»Pferd … er braucht mich. Und der Wolf auch.« Karigan hinkte durch die Wälder zurück,
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