Der magische Reiter reiter1
den Eindruck, als bewegten sich die Toten.
Das Silber der Uniformen funkelte in der Sonne, als wolle es den Stolz verspotten, mit dem die Soldaten einst die Farben von Sacoridien getragen hatten. Verzerrte, grimmige Gesichter starrten blind ins gleißende Licht. Aasvögel hatten ihnen die Augen ausgepickt.
Unter den Toten befanden sich auch einige nicht ganz menschliche Überreste. Karigan fragte sich, ob erst der Tod die Haut dieser großen Wesen gelbbraun gefärbt hatte oder ob das ihre natürliche Farbe war. Streckenweise war die Haut mit schlammfarbigem Pelz bedeckt. Weit aufgerissene Münder,
als hätten sie noch im Augenblick des Todes ihr furchtbares Geheul hören lassen, entblößten scharfe Eckzähne. Die Ohren waren spitz und fellbedeckt wie die von Katzen. Erdriesen.
Drei menschliche Köpfe waren auf Lanzen gesteckt und am Straßenrand aufgestellt worden. Von einem Baum hing zerfetzt und aufgeweicht das, was noch von einem Hauptmann übrig war. Zwei Pfeile mit schwarzen Schäften und roter Befiederung hatten sein Herz durchbohrt. Karigan übergab sich.
Es dauerte lange, bis sie Pferd dazu gebracht hatte, über die auf der Straße verstreuten Leichen hinwegzusteigen, viel länger, als sie es ertragen konnte. Sie wollte davonlaufen, diese schaurige Szene so weit wie möglich hinter sich lassen. Doch sie wusste, dass sie in ihren Träumen zu ihr zurückkehren würde, egal, wie weit sie wegliefe.
»Dieses Pferd würde eine Schlacht nie überstehen«, sagte Thorne und sah zu, wie Karigan unglücklich an den Zügeln riss.
»Grüne sind in der Schlacht wertlos.« Jendaras Stimme war voller Verachtung. »Sie galoppieren mit ihren Pferden durchs Land, mehr nicht. Es erstaunt mich, dass sie überhaupt Schwerter tragen.«
Karigan kam sich so grün im Gesicht vor wie ihr Mantel und ging auch dann noch weiter, als sie das Ende des Gemetzels erreicht hatte. Die Söldner fielen in Trab, um zu ihr aufzuschließen. Hinter ihnen ließen sich die kreischenden Aasvögel wieder auf den Leichen nieder und setzten ihre grässliche Mahlzeit fort.
Karigan wurde noch mehrmals übel. Blut und Reste von Eingeweiden klebten an ihren Stiefeln, und egal, wie sehr sie
sie am Straßenrand schrubbte, es schien nicht abzugehen. Als ein Fluss neben der Straße auftauchte, rannte sie so schnell dorthin, dass nicht einmal die flinke Jendara sie aufhalten konnte. Karigan stellte sich in die Strömung, die Augen geschlossen, und wünschte sich, dass das dahineilende Wasser nicht nur ihre Füße, sondern auch ihren Geist reinigen könnte.
»Komm auf die Straße!«, befahl Jendara.
Als Karigan die Augen öffnete, starrte sie auf die Klinge mit dem schwarzen Band. Thorne stand mitten auf der Straße und warf mit schallendem Gelächter den Kopf zurück. »Eine Mörderin, die den Anblick von Blut nicht erträgt!«
Karigan ignorierte ihn und sah Jendara eindringlich an. »Warst du eine Gruftwache oder eine Wache des Königs, Schwertmeisterin?«
Jendara kniff die Augen zusammen, als blende sie das Funkeln ihrer eigenen Klinge. Die Falten um ihre Mundwinkel herum wurden tiefer. »Ich bewache keine Toten.«
»Weshalb betrügst du dann den König?«
»Ich betrüge den König nicht – den rechtmäßigen König.«
Karigan hob die Brauen. Der einzige Laut kam von dem Wasser, das um ihre Knöchel floss. Was hatte Jendara damit nun wieder gemeint? »Es gibt nur einen König. Zacharias.«
Der Schlag erfolgte so schnell, dass Karigan ihn überhaupt nicht kommen sah. Jendara hieb Karigan die Breitseite des Schwerts auf das Schlüsselbein, so dass sie unter der Wucht des Schlages erbebte. Sie sank auf die Knie, und kaltes Wasser durchtränkte ihre Hose.
»Ich diene dem rechtmäßigen König«, zischte Jendara. »Vergiss das nicht.« Sie packte Karigan am Kragen, zerrte sie aus dem Fluss und schubste sie vor sich her auf die Straße.
Thorne lachte erneut, oder vielleicht hatte er auch nie damit
aufgehört. Karigan stolperte hinter ihren Häschern her, benommen und leer vom wiederholten Erbrechen, aber erleichtert, dass wenigstens ihre Stiefel wieder sauber waren.
Die Tage kamen und gingen – Karigan verlor das Gefühl dafür, wie viele es waren. Mit vor den Leib gebundenen Händen schleppte sie sich hinter den Söldnern her. Ohne die Lebensmittel, die Dusty ihr in die Manteltaschen gesteckt hatte, hätte sie nicht durchgehalten. Sie knabberte daran, wenn die Söldner nicht hinschauten oder schliefen. Selbst mit den Lebensmitteln in der Tasche
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