Der magische Reiter reiter1
missbrauchen.«
Ich habe dir das Leben gerettet.
Die Ereignisse der Nacht holten sie allmählich ein. Sie bebte, und Kälte erfüllte ihren ganzen Körper. Die Vorstellung, dass ein anderer sie kontrollierte, machte sie rasend vor Zorn … und erschreckte sie. »Mir scheint, du hast mich überhaupt erst in all das hineingezogen. Du und diese Brosche.«
F’ryan Coblebay wurde durchscheinender und flackerte. Nein, nicht ich. Du wurdest gerufen. Er blickte zum Himmel auf, dann ging er davon, verschwand vollends in der Dunkelheit, doch seine Stimme hallte noch eine Weile nach: … du wurdest gerufen …
Karigan seufzte, und ihr schwindelte angesichts der jüngsten Erlebnisse. Sie wollte so schnell wie möglich fort von diesem Blutbad – fort von Garrotys zermalmtem Gesicht und Thornes aufgespießtem Leichnam –, doch die Brosche musste sie wiederhaben. Jendara murmelte etwas Unverständliches und zuckte. Sie musste sich beeilen.
Thorne war wie der Kadaver einer Vogelscheuche an den Baum geheftet, die Arme in seltsamen Winkeln mit den immergrünen Zweigen verstrickt. Die Brosche hing an einem Faden von seinem Mantel. Schaudernd riss sie sie ab. Sie hatte ein Loch durch Mantel und Wams gebrannt und das Mal eines geflügelten Pferds als roten Schatten auf seinem Fleisch hinterlassen.
In einer Hinsicht hatten die Berry-Schwestern recht gehabt
– die Brosche ließ nicht zu, dass ein anderer als ein Grüner Reiter sie berührte. Als man es ihr befahl, hatte sie lediglich den günstigsten Moment abgewartet. Karigan schauderte erneut und steckte sich die Brosche ans Hemd.
Sie entfloh dem Blutbad und hielt nur inne, um all ihre Habseligkeiten zusammenzuklauben, die man ihr abgenommen hatte. Sie und Pferd galoppierten davon und lösten sich dabei in Luft auf. Wenn Immerez schon vor Tagen zu ihnen stoßen sollte, befand er sich vielleicht in der Nähe. Sie wollte sich nicht wieder fangen lassen, so kurz nach der geglückten Flucht.
Jendara kroch zum Rand der Lichtung. Etwas wie Blitz und Donner brandete durch ihren schmerzenden Kopf, doch sie war entschlossen, die Grüne aufzuhalten. Es ging nicht um Rache. Es war ihr recht, dass Garroty sein elendes Leben verloren hatte. Und auch wenn sie einmal mit Thorne befreundet gewesen war, so war das doch lange her. Doch die Anweisungen ihres Lords lauteten, die Botschaft abzufangen, und das bedeutete, den Boten abzufangen.
Wer war dieses Mädchen, das Männer überwältigen konnte, die so viel stärker als sie waren? Der Anblick von Thorne, mit ihrem eigenen Schwert an den Baum geheftet, war nicht schlimmer als vieles, was sie auf dem Schlachtfeld gesehen hatte, doch der Ausdruck auf seinem Gesicht, dieser Ausdruck äußerster Verblüffung, würde sie noch lange verfolgen.
Jen war selbst verblüfft. Wer hätte gedacht, dass das Mädchen zu so etwas imstande war? Und das Brandmal auf Thornes Haut … Mit wem hatten sie es hier eigentlich zu tun?
Jendaras Dolch funkelte matt im Mondlicht, als sie den
Rand der Lichtung erreichte. Ihr dröhnender Schädel machte es ihr unmöglich, sich aufzurichten. Eine Woge der Übelkeit verknotete ihren Magen.
Sie erhaschte eine schnelle Bewegung auf der Straße und hörte das Getrappel von Hufen. Sie sah, wie das Mädchen auf ihrem Pferd davongaloppierte und sich dann beide in nichts auflösten. Jendara rollte sich auf dem Boden zusammen und ließ den Kopf auf den Arm sinken.
Womit hatten sie es hier zu tun?
HERBERGE
Sie galoppierten die ganze Nacht hindurch, und Pferds Hufe dröhnten dumpf auf der Straße. Die graue Welt flirrte an ihnen vorbei; Karigan verließ sich darauf, dass Pferd den Weg fand. Unter dem Mantel der Unsichtbarkeit blieb ihr nichts weiter übrig, als sich an seiner Mähne festzuklammern und im Sattel zu bleiben. Als die Nacht dem ersten dämmrigen Zwielicht wich, wurde Pferd langsamer und blieb schließlich stehen.
»Was ist?« Karigan konnte noch nicht einmal den Kopf von seinem warmen Hals heben.
Pferd äugte die Straße hinauf und hinunter, dann schlug er sich mit wedelndem Schweif seitwärts in die Büsche. Hier gab es keinen Weg, nicht einmal einen Wildpfad, doch als sie tiefer in den Wald vordrangen, behinderten sie weder Unterholz noch tief hängende Äste, und der Boden war sauber und eben.
Pferd trottete um ein paar Felsblöcke herum, und die Welt nahm wieder die Farben des frühen Morgens an; die Last der Unsichtbarkeit fiel von ihr ab und stärkte ihre Lebensgeister.
Unter einen Felsvorsprung
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