Der magische Reiter reiter1
geschmiegt, kam eine kleine Holzhütte mit einem umzäunten Pferch und einem Schuppen daneben in Sicht. Karigan war schon fast auf dem Sims, als sie die Hütte entdeckte. Bis auf den morgendlichen Gesang der Vögel gab es nirgends eine Spur von Leben.
»Was für ein Ort ist das?«, fragte Karigan Pferd. Sie stieg ab und sank vor Müdigkeit auf die Knie. Er stupste sie zärtlich an der Schulter. Die Brosche hatte Karigan völlig ausgelaugt, und es dauerte eine Weile, bis sie wieder stehen konnte, und selbst dann musste sie sich noch an Pferd lehnen, als sie zu der Hütte gingen. Ins Holz der Tür war ein Symbol geschnitzt – ein geflügeltes Pferd.
»Wohnen hier … Grüne Reiter?«, fragte sie.
Pferd wieherte und stupste sie leicht in den Rücken. Sie entriegelte die Tür und stolperte hinein. Im Inneren, einem einzigen Zimmer, roch es muffig nach abgestandener Luft, und bei jedem Schritt wirbelte sie Staub auf. Anscheinend kamen hier nicht oft Grüne Reiter vorbei.
Die Fensterläden waren geschlossen, daher war es dunkel in dem Raum, doch zusammen mit ihrer anderen Habe hatte sie sich auch den Mondstein zurückgeholt, den sie jetzt aus ihrer Tasche nahm. Silbernes Licht flutete in alle Winkel der Hütte und nahm ihr etwas von ihrer Erschöpfung – stärkte sie, wie um sie zu erinnern, dass sie noch am Leben war.
Eine Strohmatratze lag auf einem einfachen Bettgestell an der Wand gegenüber, auf einem Regal darüber standen mehrere Kerzen, eine Lampe und sogar ein paar Bücher. Neben dem Kamin stapelte sich Feuerholz, und auf dem Kaminsims lehnten Schneeschuhe. Weitere Regale enthielten mit Korken und Wachs versiegelte Krüge.
In einem Wandschrank aus Zedernholz fand sie Decken, Kissen und etwas Kleidung. Karigan riss sich das Hemd vom Leib, das Spuren von Garrotys Tabaksaft trug und das – wie sie erst jetzt im Licht bemerkte – voller Blutflecken war, und warf es auf den Boden. Sie schnappte sich ein weißes Leinenhemd
aus dem Schrank, streifte es sich über den Kopf und klemmte die Brosche fest. Nun fühlte sie sich nicht mehr so verdreckt und hatte eine weitere Fessel durchtrennt, die sie an die Söldner band.
Sie nahm Bettzeug aus dem Schrank und häufte es auf dem Tisch auf. Mit der wenigen Kraft, die ihr noch geblieben war, klopfte sie auf die Matratze und wirbelte eine Staubwolke auf. Niesend stolperte sie aus der Hütte.
Pferd sah sie erwartungsvoll an, die Ohren aufgestellt. Als der Niesanfall vorbei war, nahm Karigan ihm Zaumzeug und Sattel ab. »Entschuldige, dass ich dich warten ließ, Pferd«, sagte sie. Ihr Vater und ihr Reitlehrer hatten immer wieder betont, dass man erst das Pferd versorgen musste, bevor man sich um sich selbst kümmerte. Sie hätte sich daran halten sollen, statt gleich die Hütte zu erkunden. Immerhin hatte Pferd sie wer weiß wie viele Meilen durch die Nacht getragen, während sie sich unter dem Bann der Brosche hirnlos an ihn geklammert hatte. Er hatte es wirklich verdient, dass sie sich jetzt um ihn kümmerte.
Als Pferd von allen Lasten befreit war, begab er sich in den Pferch und unter das vorspringende Dach. Wieder sah er sie erwartungsvoll an. Karigan folgte ihm und blickte sich um. Ein geschlossener Kasten war bis zum Rand mit Hafer gefüllt, und an einer der Wände hingen zwei Eimer. Der Hafer sah nicht sehr frisch aus, war aber nicht verdorben; weder Käfer noch Würmer wuselten in ihm herum.
Sie füllte etwas von dem süß riechenden Hafer in einen Eimer und nahm den anderen mit, als sie sich auf die Suche nach Wasser machte. Hinter der Hütte sprudelte eine Quelle und plätscherte in einen winzigen Teich. Sie trank von dem reinen, kühlen Nass und befreite ihre Kehle vom Staub der
Straße und der Hütte, dann füllte sie den Eimer und brachte ihn Pferd. Anschließend kehrte sie in die Hütte zurück, schlang eine Decke um sich und fiel aufs Bett. Im Nu war sie eingeschlafen.
Karigan erwachte fröstelnd. Ihr Atem blies Nebelwolken in die kühle, feuchte Luft – keineswegs ungewöhnlich für einen Nordlandfrühling, doch nicht sehr erfreulich. Erst dachte sie, es sei noch der Morgen ihrer Ankunft, doch dieser Morgen war diesig, während das Wetter gestern Wärme und Sonne versprochen hatte. Die Decke noch um sich geschlungen, fand sie einen Zedernkasten auf dem Kaminsims, öffnete den Kaminabzug und stapelte Holz im Ofen, um ein Feuer zu entfachen. Es dauerte nicht lange, und Wärme breitete sich in der Hütte aus.
Sie tauschte die Decke gegen ihren
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