Der magische Stein
»Wer soll diese Frau denn sein?«
»Ich habe ebenfalls keine Ahnung. Sie hat mir nur einen Brief geschrieben und darin erklärt, dass sie um ihr Leben fürchtet. Mehr kann ich auch nicht sagen.«
»Und ich kann dir nicht weiterhelfen. Sorry . Hättest du denn bei Bill mehr Chancen gesehen?«
»So genau kann ich das nicht sagen«, gab ich zu. »Unter Umständen schon. Sie muss ja irgendwie an meinen Namen gekommen sein, und da dachte ich, dass Bill sie möglicherweise gekannt und über mich mit ihr gesprochen hat. Aus diesem Blickwinkel sehe ich die Lage.«
» Sorry , da muss ich passen.«
»Okay, dann werden wir uns anders umschauen.«
»Du kannst Bill ja versuchen anzurufen.«
»Nein, nein!«, wehrte ich ab. »Ich möchte ihn nicht bei einem wichtigen Interview stören.«
»Okay, John, dann sieh mal zu.«
»Mach ich.«
Shao und Suko hatten über Lautsprecher mitgehört. Wir blickten uns gegenseitig an, wobei Suko schließlich meinte: »Bleibt nur der direkte Weg. Ruf diese Frau an.«
»Das werde ich auch.«
Ich holte wieder den Brief hervor, um die Nummer ablesen zu können. Wenig später tippte ich sie ein, und im Innern spürte ich schon das leichte Magendrücken.
Ich horchte auch auf mein Gefühl. Auf die innere Stimme konnte ich mich meistens verlassen. Ich fragte mich, was dahinter stecken könnte. Wirklich nur ein Bluff?
Nein, daran konnte ich nicht glauben. Diese Mandy Gilmore kannte mich. Und wer mich kennt, der weiß auch, welchem Job ich nachgehe. Grundlos hatte man mir den geschriebenen Hilferuf nicht geschickt.
Es war still geworden, nachdem ich die Nummer gewählt hatte und das Handy an mein Ohr hielt.
Niemand nahm das Gespräch an. Es meldete sich auch keine technische Stimme, die darauf hinwies, dass man mit einer Mailbox verbunden war. Und dann passierte es doch.
Eine leise Frauenstimme drang an mein Ohr, die ein leises »Hallo« sprach.
»Mandy Gilmore?«, fragte ich ebenso leise.
Pause. Dann wieder die Stimme. »Wer will das wissen?«
Ich »öffnete« mich ein wenig. »Sie haben mir einen Brief geschickt, Mrs. Gilmore.«
Jetzt hörte ich den scharfen Atemzug. »Mr. Sinclair?«
»Genau!«
Ein Atemzug verwandelte sich in mehrere Stöße. Danach folgten die Worte rasch hintereinander. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich so schnell melden würden. Aber es tut mir gut, Sie zu hören. Das finde ich mehr als toll.«
»Ihr Brief klang nicht eben harmlos.«
»Das ist es auch nicht.«
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte ich mich. »Sie haben davon geschrieben, in Lebensgefahr zu stecken...«
»Das ist auch der Fall. Ich habe mich da in etwas hineingeritten, das ich nicht mehr überblicken kann.«
»Was ist es denn?«
Diesmal hörte ich die Antwort nicht sofort. Etwas später war die Stimme noch leiser. »Es ist nicht so leicht, das zu sagen. Zumindest nicht am Telefon. Sie verstehen...?«
»Sie möchten mich treffen?«
»Genau.«
»Wann?«, wollte ich wissen.
»So schnell wie möglich muss es sein.«
»Dann machen Sie bitte einen Vorschlag.«
»Heute noch?«, fragte sie unsicher.
Ich musste nicht erst lange nachdenken. Der Abend wäre frei gewesen. Ich hatte also Zeit.
»Warum nicht?«, fragte ich.
Ich hörte sie erleichtert stöhnen.
»Sagen Sie mir, wo wir hinkommen sollen.«
»Kennen Sie den Flughafen Croydon ?«
»Natürlich.«
»Es gibt westlich davon ein leeres Gelände«, erklärte sie. »Das gehört noch zum Airport und ist nicht bebaut. Es führt auch eine Straße dorthin. An ihrem Beginn ist sie durch einen Schlagbaum abgesperrt. Um ihn brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Fahren Sie einfach daran vorbei oder heben Sie ihn an. Die Straße ist eine ziemliche Piste, und sie endet schließlich im Nichts. Dort warte ich auf Sie.«
Der Vorschlag gefiel mir zwar nicht hundertprozentig, aber ich musste zustimmen.
»Eine Uhrzeit brauchen Sie nicht auszumachen, Mr. Sinclair. Ich bin bereit.«
»Gut. Wollen Sie mir nicht sagen, um was es da geht?«
Sie lachte etwas kratzig. »Nein, das sollten wir an Ort und Stelle besprechen.«
»Machen wir.«
»Bis dann.«
Das Gespräch war beendet, und ich schaute in die Runde. Shao und Suko schauten mich an. Sie sagten beide nichts. Ihren Blicken allerdings entnahm ich, dass sie beide für meinen Vorschlag stimmten, und Suko wurde sogar konkret.
»Es ist klar, dass ich mitfahre«, sagte er. »Ich ziehe mir nur eben etwas an.«
»Okay.«
Er verschwand, und ich blieb mit Shao allein zurück.
»Was denkst du
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