Der magische Turm
du nicht belügen, nicht wahr? Du weißt, wie es um dich steht, dass dies die Wirklichkeit ist?« Er deutete auf sie.
Ihre Augen funkelten. Ein wenig des alten Feuers war in ihnen.
»Lohnt es sich nicht«, fuhr Mythor rasch fort, »dieses erbärmliche Dasein für etwas zu opfern, was mehr Anrecht auf Leben hat?«
Sie rang rasselnd nach Atem. »Dich, meinst du wohl?« kreischte sie, halb lachend, halb bebend vor Wut. »Weshalb denkst du wohl, dass du mehr Anrecht auf Leben hättest?«
»Weil ich gegen all das kämpfe, was dir zum Verderben geworden ist. Weil ich für das Licht kämpfe. Und weil ich glaube, dass die Welt da draußen Streiter wie mich brauchen wird. Die Dunkelheit ist auf dem Vormarsch. Sie bringt Blut und Grauen über Tainnia und die Länder rundum. Und wenn niemand sie aufhält, wird ihr eines Tages die ganze Lichtwelt gehören.«
»Wäre das ein so erschreckender Gedanke?«
»Ja«, antwortete Mythor beschwörend. »Die ganze Welt wäre dann wie dieser Turm. Trügerische Unwirklichkeit wie ein Leichengewand über allem Leben, das darunter in Einsamkeit und Furcht verkümmert. Das habe ich in diesem Turm gelernt. Dass der Preis, den diese Kräfte fordern, zu hoch ist.«
Die rauchigen Gestalten hatten den Rand der Öffnung erreicht. Sie griffen nach Mythor, der sich verzweifelt wand, um an sein Schwert zu gelangen. Aber in der Leere, ohne Halt, brachten ihn seine rudernden Bewegungen nicht näher. Allerdings gelangte er aus der unmittelbaren Reichweite der Wesen, die quollen und sich veränderten, deren rauchige Augen zu sehen schienen. Sie folgten ihm und hatten ihn in seiner Hilflosigkeit bald erreicht. Schwaden hüllten sich um seine Beine und wurden zu Klauen und Rachen, deren Umklammerung er sich nicht mehr entwinden konnte.
Aber in seiner lähmenden Schwäche hätten ihn wohl auch ein paar Kinder zu Fall gebracht.
Langsam drangen die Klauen und Zähne tiefer, doch sie brachten keinen Schmerz, nur namenloses Entsetzen, das ihn aufschreien ließ.
Plötzlich war er frei. Blind von den inneren Qualen und den Tränen, die sie ihm in die Augen getrieben hatten, drehte er sich um und sah einen Schatten über sich.
Kaltes Eisen drängte sich in seine Hand, und die Stimme der Hexe sagte: »Dein Schwert, mein aufrechter Liebhaber. Du hast recht, ich werfe nicht viel weg, wenn ich diesem Dasein ein Ende mache.«
»Ich bin so schwach«, murmelte Mythor. Er umklammerte den Schwertgriff mit beiden Händen, um ihn nicht wieder zu verlieren. Er spürte, wie die Schwaden von ihm fortglitten, und seine Erleichterung war grenzenlos.
»Ich weiß«, sagte die Hexe gequält. »Es ist mein Leben, das dir die Kraft nimmt. Meine Zauberei braucht Kraft, wenn sie sich nicht selbst verzehren will. Und ich habe mich längst selbst verzehrt. mehr, als ich ertragen kann. Oh. Quiramon. lass mich nicht für alles büßen.!«
Sie wirkte plötzlich sehr menschlich, als sie diesen Namen rief, der einem Gott oder einem Dämon aus ihrer Zeit gehören mochte.
Mythor kam auf die Beine und hieb mit Alton um sich, wo er Rauchkreaturen sah. Sie zerflossen vor seiner Klinge und formten sich neu. Sie kümmerten sich nicht um ihn. Sie schwebten alle auf die Hexe zu, wogten um ihre Füße, wanden sich hoch und verschwanden auf eine seltsame Art in ihr, während sie reglos mit weit aufgerissenen Augen dastand.
Mythor versuchte, sie mit sich zu ziehen, und hieb mit der Klinge nach den Schwaden, die immer dichter um sie wirbelten.
»Nein!« rief sie und wehrte ihn ab. »Ich muss es ertragen. Sie. sie sind nicht Althars Traumgestalten. Es war eine Lüge. Sie sind meine Kreaturen. Durch Zauber habe ich mich freigemacht von ihnen, und nun kehren sie zurück.«
»Was sind sie?«
»Sie sind meine Ängste, meine quälenden Sehnsüchte, die vielen Tode, die ich längst hätte sterben müssen. Sie sind alles, was mich je gequält hat im Lauf dieser langen Zeit. Ich habe es einfach in diesen Abgrund verbannt, wo sie warteten auf jemanden wie dich. oder mich.« Die letzten Worte kamen peinvoll, und die Stimme überschlug sich in einem plötzlichen Schrei, der schriller und schriller wurde, abbrach und erneut begann, als die Ängste und Qualen eines jahrhundertelangen Lebens auf dieses Wrack einstürmten.
Sie stürzte und wand sich wie eine Rasende, blind und taub für alles, außer dem rächenden Feuer in ihrer Seele. Ihr Gesicht war bis zur Unmenschlichkeit verzerrt. Sie hatte aufgehört zu schreien, als die Kraft ihrer schwachen
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