Der magische Turm
das er gesagt hatte, Cyclom verwirrt.
»Ich muss denken«, wiederholte Cyclom. Die Worte klangen verloren.
Mythor schob sich unmerklich ein wenig näher. Nichts geschah.
»Ich bin nicht sterblich«, dröhnte die Stimme. Aber es klang nicht so arrogant wie zuvor, nicht mehr so selbstgefällig.
Mythor gab keine Antwort. Seine Gedanken beschäftigten sich nur mit einem: nahe genug heranzukommen, um einen Hieb auf das dunkelrote Auge anzubringen. Es erwartete jeden Moment, zurückgeschleudert zu werden, doch Cyclom war augenscheinlich ganz mit der Frage beschäftigt, wie unsterblich er sei.
Der Drang, plötzlich loszustürmen und zuzuschlagen, war übermächtig. Mythor hielt mühsam an sich. Langsam und lautlos wie ein Raubtier schob er sich näher.
»Ich bin zerstörbar«, dröhnte die Stimme.
Mythor war zum Greifen nah an die Statue herangekommen, als sie erneut sprach: »Ich muss es wissen, Eindringling!«
Mythor verlor keine Zeit mehr. »Das kannst du haben«, zischte er und sprang die letzten Schritte. Er erreichte den Koloss, hielt sich einen Atemzug lang an einem kalten, schimmernden Arm fest und schnellte sich mit erhobener Klinge hoch. Alton schmetterte gegen das Auge.
Ein dumpfes Klingen erfüllte den Raum. Splitter regneten auf Mythor herab. Die Statue erzitterte wie unter einem gewaltigen Erdstoß. Mythor stürzte und hob abwehrend die Klinge.
»Gewürm!« krächzte die Stimme in fast menschlicher Wut.
Das gebrochene Auge füllte sich mit grellrotem Licht. Ein Strahl zuckte herab auf Mythor, traf die abwehrend erhobene Klinge, wurde reflektiert und schnitt wie ein riesiges blutiges Messer durch Schädel und Schultern der Statue. Stein splitterte.
Cyclom schrie wieder - nicht aus Pein, denn wie sollte ein steinerner Koloss Pein empfinden, sondern aus Grauen vor der nicht mehr zu verleugnenden Erkenntnis, dass er vernichtbar war, dass er sterblich war.
Ein Teil des Kopfes und die rechte Schulter glitten scharrend herab und zerbrachen auf dem metallenen Boden mit gewaltigem Getöse. Das Auge hing matt schimmernd im Rest des Schädels. Die Stimme klang klagend. »Meister. sie töten mich! Lass nicht zu, dass Sterbliche mich.«
Töten, rasten Cheeks Gedanken durch Mythors Kopf. Töten. Ich kann ihn töten, wenn ihr zu feige seid!
So unvermittelt und wie ein Sturmwind tauchte Cheek aus den Tiefen seines Bewusstseins auf, dass Mythor sich zu spät wehrte. Hilflos sah er zu, wie er die Klinge hob, an dem bebenden Stein hochkletterte und auf das Auge einhieb. »Stirb!« keuchte er, nein, keuchte Cheek mit seiner Stimme. Rotes Licht blitzte, flackerte, tanzte über die Wände, und wo es traf, begann das Erz des Turmes zu glühen. Nur dem Träger Altons vermochte es nichts anzuhaben. Ein erneuter Schwerthieb schmetterte das Auge auseinander, dass es in einem Regen roter Funken barst.
»Stirb!« schrie Cheek und nach einem Augenblick: »Helft mir! Es will nicht. sterben!«
Mythor spürte undeutlich einen lähmenden Schmerz in seinem Kopf. Cheek benutzte seine Stimme gequält und schrill, wie in Panik: »Keethwyn! Es will nicht sterben! Ihr Götter! Helft mir! Wir sterben alle! Merwallon.!«
Sie kamen, tauchten empor in Mythors Verstand, der ihm so fern schien, als habe er keinen Anteil daran.
»Wir kommen!«
Mythor verstand nicht, was geschah. Er spürte zu wenig, um es zu erkennen. Aber Cheek schrie in fürchterlicher Qual. Und Merwallon, Keethwyn und Oren, die ihm zu Hilfe kamen, stimmten ein in das Schreien, bis die Stimme völlig unkenntlich, fast nicht mehr menschlich klang. Das war ein grauenvoller Augenblick, als sie sich zurückzuziehen versuchten, als sie freizukommen versuchten aus dem furchtbaren geistigen Griff, in dem Cyclom sie erfasst hatte.
Dann verstummten sie, einer nach dem anderen. Cheek zuerst. Es war, als ob sie auf eine seltsame Art in die Ferne glitten und verschwänden.
Dann brach das Schreien ab.
»Ich bin immer noch Cyclom, der Wächter des Horts!« rief die Stimme der Statue, doch sie klang kraftlos, wie ein Echo ihrer selbst. »Kein sterbliches Gewürm wird mich.!« Sie brach ab und schwieg, und das, was vom Auge übrig war, blieb dunkel.
Mythor spürte, wie ihm seine Sinne entglitten. Verzweifelt klammerte er seine Finger um das Gläserne Schwert.
*
Als Mythor wieder zu sich kam, hatte sich nichts verändert. Noch immer drang Tageslicht durch die schmalen Öffnungen in der eisernen Wand. Die halb zerstörte Statue ragte über ihm auf. Trümmer des Oberkörpers und
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