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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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und ein Kaninchen abhäuten.

    Ich kann Leder färben und Wunden nähen. Ich kann Menschen töten. Und vor kurzem war ich noch ein Schuljunge, ein Knirps, ein Träumer. Er schüttelte den Kopf und fragte sich, wieviel von seinem Leben er hier in der Wildnis, in diesen Wäldern und Hügeln zurückgelassen hatte. Er würde es wiederbekommen, gewiß, würde dieses Land an dem Morgen verlassen, an dem er es betreten hatte — aber würde er wirklich noch der gleiche sein? Würde er die Küche als riesiger Wilder betreten, bärtig und vernarbt, oder würde er wieder ein Junge sein? Würde ihm seine Kindheit zurückgegeben werden? Seine Finger fuhren durch die weißen Haare seines Bartes, als er sich aus dem Lichtkreis des Feuers schleppte. Mit jeder Meile, die sie in dieses Land eingedrungen waren, war er gealtert, in wenigen MonatenhattensichJahre aufseine Schultern gelegt. Cat war ebenfalls gealtert. Sie war nicht mehr das Mädchen, das er damals im Wald getroffen hatte. Das war seine Schuld, einzig und allein seine Schuld. Mirkady hatte ihn einst davor gewarnt, nachts in einer Märchenhöhle. Gedankenverloren sammelte er Holz. Er dachte an die Farm seiner Großeltern, an die Schwalben in den Ställen, an das Feuer des Küchenherds. Kannen voller Tee und Speck und Eier. Sauberes Bettzeug -heilige Jungfrau —, ein warmes, trockenes Bett und die Nacht hinter einem Fenster. Er gähnte ausgiebig, so daß seine Kiefer knackten. Er hatte einen Armvoll Holz. Das würde für ein, zwei Stunden reichen. Cat konnte später mehr sammeln. Er sehnte sich nach dem Feuer. Und nach ihr. Obwohl er todmüde war, gefiel ihm die Vorstellung, ihre Haut zu streicheln. Als sie sich zuletzt geliebt hatten, waren sie beide eingeschlafen, bevor es richtig zu Ende war, und hatten wie siamesische Zwillinge beieinander gelegen, waren morgens noch vereint gewesen. Aber nein.Zuriskant,eszuwagen.Keine Zeit für die Liebe, wenn die Bestien hinter dir her sind. Er hatte gewußt, daß sie schlafen würde, eine Hand zur Faust geballt an der Kehle. Er legte das Holz ab, und als er sie zudeckte, stieß der Schwertknauf ihn in die Rippen. Die erste Wache. Und aller Wahrscheinlichkeit nach würde er die dunklen Stunden vor der Morgendämmerung auch durchwachen müssen. Eine lange Nacht, aber wie Cat schon gesagt hatte, hatten ihre Verfolger heute auch einen harten Tag gehabt. Vielleicht würde er ein paar Stunden Ruhe haben. Die verdammte Wunde meldete sich wieder. Einen Tag noch, dann würde er sie öffnen und zum -zigsten Mal ausbrennen. Es war einen tiefe, schmerzhafte Wunde in dem dicken Muskel am Oberschenkel. Die vielen kleinen Wunden daneben hatten sich schon geschlossen. Vielleicht steckte noch ein Stück vom Zahn der Bestie im Fleisch. Der Gedanke daran war unerträglich. Er rieb heftig mit den Fingerknöcheln über die Stelle und verwünschte den stechenden, glühenden Schmerz. Die wilde Massage half nicht. »Ach ...« Er stieß das Schwert in das Feuer und beobachtete, wie sich die Flammen um das stumpfe Eisen wanden. Die Klinge mußte fachgerecht erhitzt werden, in einer Schmiede, und dann in Urin getaucht werden. Zur Not würde auch Lehm genügen, nahm er an. Die verschlungenen Gravuren auf der Klinge schienen sich zu bewegen, als seien sie ein Teil der Flammen, und der Name des Schmieds hob sich reliefartig von dem Eisen ab.

    Ulberht. Es war eine alte Waffe, ein Meisterstück. Sie hatte eine bessere Behandlung verdient. Andere, würdigere Hände hatten den Griff dunkel werden lassen. Das Schwert hatte einen langen Weg zurückgelegt, bis es in die Hand eines Ulstermanns geraten war. Der Ulstermann hatte auch einen weiten Weg zurückgelegt. Einen langen Weg aus dem Tal des Bann. Und wie es schien, hatte er einen noch weiteren Rückweg vor sich. Falls es überhaupt einen Weg zurück gab. Das war etwas, über das er in den langen Nächten grübeln konnte, das ihn gehörig wach hielt. Wie konnte ich nur so ein verfluchter Narr sein. Er drehte sich um und betrachtete Cats blasses, ernstes Gesicht. Er war noch ein Knabe gewesen, und sie war die erste Liebe seines kurzen Lebens gewesen. Die Liebe zu einem Mädchen, das niemand außer ihm sehen konnte, und zu dem Märchen, das sie ihm versprach. Wahrscheinlich würde dieses Märchen hier in diesen Wäldern enden, und die Knochen des Ulstermanns würden hier verbleichen. Er rieb sich die Stirn und bemerkte, daß die Kanten der Schwertklinge rot glühten. Das verdammte Ding wurde schnell stumpf und mußte

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