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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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windet!« Roses Fang zuckte wie eine silbrige Schlange in dem Schlamm und den Algen, die sich in ihrem Netz gesammelt hatten. »Gib mir das Glas — nein, du mußt erst Wasser hineinschütten, Dummkopf. Halt es hoch. Gleich haben wir ihn. So, geschafft.« Das Marmeladenglas war mit einer trüben Suppe gefüllt, durch sie den Aal sehen konnten, der sich bei seinem Versuch zu entkommen gegen das Glas preßte. Ein Drache, dachte Michael. Wir haben einen Drachen gefangen und in einen Zauberkäfig gesteckt. Sie betrachteten ihre Beute für einen Moment. Dann seufzte Rose widerwillig. »Es hat keinen Zweck. Er ist zu groß für das Glas. Schütt ihn wieder hinein, Michael.« Er kippte den Inhalt des Glases in den Fluß, und der Aal schoß davon. Ein befreiter Drache, der durch die Luft gleitet. Er schlängelte sich weiter und verschwand unter einem Stein. Zurück in seine Höhle.

    Vielleicht war ein Goldschatz darin, und er lag zusammmengerollt darauf. »Himmel hilf, es ist ganz schön heiß«, sagte Rose. Sie lehnte sich zurück und ließ das Netz im Wasser treiben. Sie beobachtete die Eintagsfliegen, die wie kleine Feen über der Wasseroberfläche schwebten, und zuckte zusammen, als eine Forelle aus dem Wasser schoß, um eine der Fliegen zu schnappen. Hinten an der tiefen Stelle, an der Brücke. Sie hatte Michael erzählt, daß es dort einen Hecht gab, der ihrem Vater schon dutzende Male knapp entwischt war. Ein verschlagener alter Killer von fast einem Meter Länge. Vielleicht lauerte er jetzt irgendwo im Schlamm und wartete auf seine Gelegenheit. »Ist jemand in der Nähe, Michael?« Er hob den Blick von der trüben Brühe, die durch sein Netz glitt. »Glaub' nicht. Sie sind heute auf der anderen Seite.«

    »Dann werde ich schwimmen gehen. Kommst du mit?« »In Ordnung.« Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn zu den abschirmenden Ästen einer Ufereiche. Kichernd streiften sie die Kleider ab. An den Stellen, die nie der Sonne ausgesetzt waren, war ihre Haut schneeweiß; das schwarze Haar unter ihrem Bauchnabel erregte für einen Augenblick seine Aufmerksamkeit. »Rose, warum ... ?« Aber sie packte ihn an der Hand, zog ihn hinter sich her und sprang zusammen mit ihm ins Wasser. Für einen Augenblick spürte er Panik aufsteigen, als das kalte Wasser über ihm zusammenschlug. Er schlug wild um sich. Dann schlossen sich Roses Arme um ihn, und er wurde emporgehoben. Strahlendes Sonnenlicht umfing ihn wieder, Wasser lief über sein Gesicht, und ihr Lachen klang in seinen Ohren. Die Panik fiel von ihm ab, und er lachte jetzt selbst. Er spürte den sanften Druck ihrer Brüste an seiner Brust, die Brustwarzen, die in dem kalten Wasser hart geworden waren. Sie küßte ihn. »Nun, Michelchen, kannst du selber schwimmen, oder muß ich dich überall hintragen?« Siestand in tiefem Wasser, dieFüßeim Bodenschlamm, das Wasser bis an die Schultern. »Laß mich nicht los.« »Ach, alter Angsthase. Habe ich dir nicht im letzten Sommer Schwimmen beigebracht?« Aber der letzte Sommer lag ein Jahr zurück, eine Unendlichkeit für ein Kind. Er schüttelte den Kopf. »Na, dann nicht. Pack hier an.« Sie zog einen dünnen Ast der Ufereiche herunter, damit er sich daran festhalten konnte. »Hast du ihn? Gut. Laß ihn nicht los. Bleib hier, damit ich mich etwas austoben kann.« Er hing dort, paßte auf, daß er kein Wasser in die Augen bekam, und spürte den sachten Druck der Strömung. Er strampelte ein bißchen, und die Strömung drückte seine Zehen auseinander. Was mochten sie denken, die Ritter und Damen der Unterwasserwelt, diese Drachen? Er fühlte sich unbehaglich bei dem Gedanken an Aale, Hechte — und wer weiß, was noch alles —, die durch das Wasser glitten, um ihn anzuknabbern. Rose planschte in der Flußmitte herum, wirbelte Wasserfontänen auf, die im Licht glitzerten. Hinter ihr gähnte der Brückentunnel wie ein offenes Maul. Michael sah, wie ihr Kopf verschwand und ihr Hintern kurz aufleuchtete, als sie untertauchte. Dann wurde der Fluß an dieser Stelle ruhig; nur die kleinen Wellen, die sich ringsum ausbreiteten, plätscherten ans Ufer.

    »Rose?« rief er beunruhigt, aber Sekunden später erschien ihr Gesicht wieder an der Wasseroberfläche. Schwarze Haarsträhnen hingen ihr in die Augen. »Ich kann dort unten sehen«, rief sie. »Ich kann unter Wasser sehen. Es ist glasklar dort unten, Michael, es ist wie eine andere Welt.« Dann war sie wieder verschwunden. Ihre blasse Gestalt war verschwommen unter Wasser zu

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