Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
Vom Netzwerk:
Stolz seines Großvaters, aber jetzt bewegte sie sich wie ein ausgeleiertes Aufziehspielzeug. Beide Tiere hatten sich von den Strapazen im Wolfswald nie richtig erholen können. »Bald werden wir zu Fuß gehen müssen«, prophezeite er düster. »Ja, aber wenn wir erst aus dem Wald heraus sind und die ersten Gipfel erreicht haben, haben wir eine Chance. Es gibt dort Klippen, Schluchten und Höhlen. Orte, die einem nachts Zuflucht bieten. Sie mögen es nicht, sich unter offenem Himmel zu bewegen, nicht einmal nachts, und schon gar nicht über die kargen Berghänge. Sie lieben es, durch Wälder zu schleichen.« »Die verdammten Bäume.« »Ja. Die verdammten Bäume. Aber auch sie reichen nicht unendlich weit. Und Ringbone will versuchen, uns am Ende des Waldes zu treffen und uns bis zur Utwyda zu geleiten.« »Was ist mit dem Schwarzen Reiter?« Instinktiv hatte er seine Stimme gesenkt, als er fragte. Cat zögerte. »Wir haben ihn seit Tagen nicht gesehen.« »Darum frage ich ja. Glaubst du, er erwartet uns am Waldrand?« Sie hob den Kopf von seiner Schulter. »Frag den Mond. Ich bin kein Orakel.« »Du hast mich hier hingebracht.« Sein Tonfall wurde barscher, obwohl er sich bemüht hatte, ruhig zu sprechen. »Und jetzt bringe ich dich nach Hause.« Ihre Augen blitzten im Licht der Flammen. »Außerdem wolltest du kommen. Und nicht ich war es, die sich in diesem Land hier eine Aufgabe gestellt hat, die glaubte, eine Maid befreien zu müssen.« »Ich war ein Knabe, ein Kind. Ich hatte keine Ahnung, wie es sein würde.« Und ich habe dich geliebt, dachte er, ohne es zu sagen. Er bemerkte erstaunt, daß er in der Vergangenheitsform gedacht hatte, und fragte sich, ob damit etwas Künftiges vorweggenommen wurde. »Märchen haben manchmal Zähne. Jedes Kind weiß das. Der böse Wolf muß etwas zu essen haben.« »Jaja, schon gut.« Er rieb sich die Augen, war zu müde, um sich zu streiten. Seit Tagen herrschte Spannung zwischen ihnen, wie der entfernte Donner eines heißen Sommertages, und es war nicht leicht zu ertragen. Es gab so vieles, über das sie nicht sprachen, so viel, das sich zwischen sie schob: seine Entscheidung, nach Hause zurückzukehren, die Ereignisse im Wolfswald ... All das umgab sie, stand unausgesprochen zwischen ihnen. Dabei wünschte er sich so sehr, ihren geschmeidigen Körper heute abend in den Armen zu halten, von ihr umarmt zu werden. Es gab kaum etwas, das für ihn schwerer zu ertragen war, als sie unbeweglich und verstimmt dort liegen zu sehen. Dazu reichte ihre Energie noch. Das Feuer knisterte funkensprühend, als ein Scheit in die Glut fiel. Er erhob sich mühsam wie ein Greis. »Wir brauchen noch Holz.« »Nimm das Schwert mit«, sagte sie automatisch, ohne den Blick von den Flammen zu wenden. Die Augen fielen ihr schon zu. Es war offensichtlich, daß er heutenacht dieerste Wacheübernehmen mußte, und als er daran dachte, lag für einen Moment ein häßlicher Zug auf seinem Gesicht. Es war erstaunlich, wieviel Nässe, Wind, Verletzungen und Schmerzen der Körper ertragen konnte, aber Müdigkeit war das schlimmste. Es bereitete ihm manchmal physische Schmerzen, die Nächte durchzuwachen. Das Schwert lag in seiner Scheide neben dem Gewehr, das jetzt nutzlos war, falls es überhaupt jemals von Nutzen gewesen war. Die wenigen übriggebliebenen Patronen waren völlig durchnäßt. Er tätschelte den mit Schnitzereien verzierten Schaft. Dort war sein Name auf einer Kupferplatte zu lesen, neben einer Jahreszahl: 1899. Eine herrliche Waffe. Er trug sie jetzt nur noch aus Sentimentalität mit sich herum; und wegen des Respekts, den der eiserne Lauf bei den Stämmen auslöste. Überflüssiges Gepäck. Das Gewehr begann schon zu rosten.

    Er zog das Schwert aus der Scheide. Es war schwer und kalt. Auch auf der Klinge, unten in der Nähe des Griffs, waren Rostflecken. Er nahm mit finsterem Gesicht einen Nagel zur Hand und entfernte den Rost. Die Schneide war stumpf geworden. Sie hatten damit Holz gehackt. Ein unverzeihlicher Mißbrauch. Es mußte bearbeitet werden. Er kannte den Unterschied zwischen einem Schlag mit einer scharfen und mit einer stumpfen Klinge, wußte um die Kunst der Handhabung dieser Waffe. Seiner Fertigkeit, mit dieser Klinge — einer Eisenklinge — umzugehen, war es zu verdanken, daß sie noch lebten. Das Blei aus den Schrotläufen der Flinte hatte lediglich bei der Jagd gute Dienste geleistet. Ich habe in letzter Zeit allerhand dazugelernt, dachte er. Ich kann ein Pferd verarzten

Weitere Kostenlose Bücher