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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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war er sich der Tatsache bewußt, daß er in Bewegung bleiben mußte. Manchmal hatte er in der Abenddämmerung das Gefühl, beobachtet zu werden, und wenn er auf dem Land war, saherSchatten, diesichdurch die Nacht bewegten -oder bildete es sich zumindest ein. Schließlich entwickelte er einen Haß auf Bäume und Wälder und menschenleere Orte und hielt sich immer mehr in Städten auf. Dort konnte man sowieso besser Geld verdienen. Es gab Frauen. Manchmal sah er ein Gesicht, das ihn anzog wie das Licht die Motten. Aber am Morgen danach war das Gesicht nie mehr so, wie er es gerne wollte, und er stahl sich davon, wenn sie noch schlief. Ob es nur für eine Nacht war oder für die Nächte einiger Monate, das Ende war immer das gleiche und löste ein Gefühl der Verzweiflung und Einsamkeit bei ihm aus. Dann half ihm der Alkohol dabei, wieder ruhiger zu werden und die Dinge klarer zu sehen. Mit der Zeit brauchte er immer mehr Drinks, um nachts schlafen zu können. Er besuchte Kneipen, wurde in einem halben Dutzend Städten Stammgast — der große, schweigende Mann am Ende der Theke. Das war vor seinem zwanzigsten Geburtstag. Sein kräftiger Körper wurde massig und schlaff, und seine Ausdauer ließ nach, obwohl er immer noch außerordentlich viel Kraft in den Armen hatte. Er wurde ein Muskelmann, ein Rausschmeißer, ein Sicherheitsbeamter; ein professioneller Rowdy. Oft genügte ein Blick aus seinen Augen, um einen Streit zu beenden, aber zweimal wurde er entlassen, weil er übertriebene Gewalt angewendet hatte, und einmal mußte er vor Gericht und entging einer Haftstrafe nur mit viel Glück und wegen eines Verfahrensfehlers. Ihm war dunkel bewußt, daß seine Qualitäten nicht in diese Welt paßten, daß sein Gefühl für Richtig und Falsch nicht dem seiner Mitmenschen entsprach. Aber die Flasche half ihm, solche Gedanken zu ertragen. Er versuchte so gut es ging, Kontakt zu seiner Heimat zu halten. Es gab dort Unruhen, eine Bürgerrechtsbewegungkämpfte um ihr Überleben. Ein Pulverfaß, das nur auf einen Funken wartete. Auf der Farm kam die Familie zu drei Beerdigungen zusammen, und die Schlange der Autos und Kutschen war jedesmal fast eine Meile lang. Den alten Pat Fay fand man eines Morgens tot zwischen den Butterblumen der Grundwiese. Die Pferde schnupperten an ihm, und ein Lächeln lag auf seinem Gesicht. Bald darauf starb auch Agnes Fay. Ihr Herz versagte seinen Dienst, als sie Wasser aus dem Brunnen in einen Eimer pumpte — eine Arbeit, die einst zu Michaels Aufgaben gehört hatte. Und der alte Mullan. Angehörige von zwei Religionsgemeinschaften kamen in einer Zeit der Entfremdung zusammen, um ihn auf seinem letzten Weg zu begleiten. Alte Männer, auf deren Brust Orden glänzten, standen neben anderen alten Männern, die einst die Armee bekämpft hatten, in der diese Orden verliehen wurden. Es spielte keine Rolle mehr. Man hatte Mullan unten in der Flußsenke gefunden; seine Pfeife lag erkaltet neben ihm. Sean hatte die Leiche entdeckt, und er mußte nachher eine halbe Flasche Whiskey trinken, bis seine Hände nicht mehr zitterten. Mullans Gesicht war von panischer Angst verzerrt gewesen, die Augen weit aufgerissen und die Lippen hochgezogen. Er hatte ausgesehen, als hätte er sich zu Tode erschreckt, sagte Sean. Als Sean die Farm erbte, war es eine seiner ersten Maßnahmen, die Bäume unten am Fluß fällen zu lassen. Er hatte den Ort ohnehin nie gemocht. Er zog Entwässerungsgräben zum Fluß hinunter, verbrannte das dichte Unterholz und fällte die Eichen und Erlen, die sich am Fluß entlangzogen. Bald grasten dort Schafe, und gutes Gras wuchs bis an den Fluß. Die Pferde wurden verkauft, und sogar Rachel weinte an dem Tag, als Felix und Pluto abgeholt wurden. Sean ließ die Schafe jedoch nicht lange auf der neuen Weide unten am Fluß. Ein Rudel herrenloser Hunde mußte dort herumstreunen, sagte er sich, nachdem kurz hintereinander drei Tiere gerissen worden waren. Mehrere Nächte hindurch hielt er persönlich dort Wache, das Gewehr auf dem Schoß. Manchmal glaubte er, etwas zu hören, oder aus dem Augenwinkeln Bewegungen wahrzunehmen. Einmal war eine große, dunkle Gestalt platschend durch den Fluß gewatet, und er war vor Schreck so gelähmt gewesen, daß er nicht einmal die Waffe hatte heben können. Danach blieb die Flußsenke leer, und die Vegetation begann sie langsam, aber unerbittlich zurückzuerobern. Michael erfuhr nacheinander von den Beerdigungen, und obwohl die Nachrichten ihn traurig stimmten,

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