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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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lächelte grimmig, griff nach der nächsten Zigarette, überlegte es sich dann aber anders. Sie hatten ihn also schließlich eingeholt. Er fragte sich, was sie von ihm wollten. Wollten sie ihn schreiend zurück in den Wald zerren, wie einen neuzeitlichen Faust? Der Wildwald. Er hatte seine Schönheiten gehabt, seine hellen Momente. Er erinnerte sich an ruhige Lagerfeuer, Cat in seinen Armen. An herrliche Sonnenaufgänge, kalte Tage und die Erregung einer Jagd im ersten Schnee. Ringbones Gesicht im Licht des Feuers, die freundliche Aufnahme durch die Fuchsleute. Nein. Es war ein barbarischer Ort gewesen. Gut, daß er ihn verlassen hatte. Er legte sich wieder zu Clare ins Bett. Ihr war heiß, und sie war schweißnaß. Er warf das Laken zurück, und sie schmiegte sich an ihn. Ein attraktives Mädchen. Es war schön, mit ihr zusammen zu sein, und sie war von rührender Vertrauensseligkeit. Er war zufrieden mit ihr, war schließlich selbst schon lange kein Adonis mehr. Sie würde niemals ein Frühstück lebendig fangen müssen, Kobolde bekämpfen oder Wunden reinigen. Er lächelte, gefangen in Erinnerungen. Frischling am Spieß. Oder dieser erste Tag ...

    Nenn mich Cat. Das ist ein dummer Name.

    Du bist ein dummer Junge. Er vermißte ihre herausfordernde Art, ihre Bissigkeit. Vielleicht war er mittlerweile zu alt, um sie noch genießen zu können. Zu alt? Er war noch nicht einmal dreißig. Ein vertrautes Geräusch draußen auf der Straße, ein Geräusch, von dem er gedacht hatte, daß er es nie wieder hören würde. Das Geheul eines Wolfes. »Jesus!« sagte er leise. Er löste sich sacht aus Clares leichter Umklammerung und spähte aus dem Fenster hinaus. Irgendwie war es dunkler geworden. Die Straßenlaternen waren erloschen. Er sah hastende Schatten auf dem Bürgersteig. Weit entfernt hörte er die Geräusche des nächtlichen Verkehrs, aber die Straßen der näheren Umgebung schienen völlig verlassen zu sein. »Scheiße ...« Er fuhr vom Fenster zurück, drehte sich dann um und schüttelte das Mädchen im Bett. »Clare, wach auf! Wach auf, Clare!« Sie schlief weiter, rührte sich nicht. Er packte sie an den Schultern, preßte ihr die Finger in das Fleisch und hob sie halb von der Matratze. Ihr Kopf fiel wie leblos zur Seite. »Clare!« Er ließ sie wieder auf das Bett sinken. Nicht gut. Gar nicht gut. Die Zeit hatte ihn schließlich eingeholt. Er wußte, daß es heute abend hier zu Ende gehen würde. Jetzt würden sich alle Lücken schließen. Aber wie würde das Ende aussehen? Würde es seinen Tod bedeuten? Siekamen ihnholen,indiesenMinuten.Es war nicht Clares Kampf, also hatten sie sie bewußtlos gemacht. Das hoffte er jedenfalls. Er zitterte. Wo war seine alte Dickköpfigkeit, sein verbissener Mut? Was würde Ringbone von ihm denken? Oder

    Cat? Sie kamen ihn holen. Der große böse Wolf. Der Schwarze Mann. Es gab sie tatsächlich. Er hatte die Gestalten aus den Schauermärchen nachts durch die Wälder wandern sehen. Gott steh mir bei. Mit fliegender Hast zog er seine Kleider an, während er fieberhaft überlegte, was sich in seiner Wohnung befand. Waffen. Er brachte etwas, um zu kämpfen. Die Kleider saugten die Hitze des Raumes auf, ihm brach am ganzen Körper der Schweiß aus. Er fingerte an den klirrenden Schlüsseln in seiner Tasche herum. DieKüche.Er zog dieSchubladenheraus, blickte dabei immer wieder zum Fenster. Jesus! Die Tür. Hatte er die Tür verriegelt? Er mußte es getan haben! Er rannte hin, kam schlitternd zum Stehen, prallte mit der Schulter gegen die Tür. Die Kette war vorgelegt. Gut.

    Während er die Tür noch überprüfte, sträubten sich seine Nackenhaare. Das Flurlicht, das durch den schmalen Spalt unter der Tür fiel, war plötzlich erloschen. Sie waren im Haus. Er probierte die Lichtschalter in der Wohnung. Nichts. Er würde also im Dunklen kämpfen müssen. Sein Verstand arbeitete auf zwei Ebenen. Ein Teil von ihm suchte systematisch nach Waffen, überlegte, wie sie am besten einzusetzen waren und wie er die Wohnung am besten verteidigte. Der andere Teil weigerte sich ruhig, aber nachdrücklich zu glauben, daß das hier wirklich passierte. Wölfe schleichen nicht durch die Straßen einer Stadt. Der Teufel reitet nicht auf einem Pferd herum. Das Telefon. Er würde die Polizei rufen, dafür sorgen, daß Menschen um ihn herum waren. Tot, natürlich. Der Teil seines Verstandes, der von der Zeit im Wald geprägt war, hatte gewußt, daß es tot sein würde. Es würde keine Hilfe von außen

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