Der magische Wald
Wer hat meine Hose weggenommen?« Onkel Sean hatte den Diebstahl entdeckt, den Cat vor langer Zeit begangen hatte. »Jemand ist in der Speisekammer gewesen. Heilige Maria, man hat bei uns eingebrochen!« Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? dachte er und lächelte schwach. Cat hätte gelacht. Sie vergaßen ihn in der Aufregung. Als er die Treppe hinunter kam, schien die Sonne schon in die Küche, und die ganze Familie, einschließlich Mullan, rannte hektisch auf und ab, während immer mehr Dinge vermißt wurden. »Meine beste Pfanne.« »Der frisch gebackene Apfelkuchen.« »Wir haben nichts gehört.«
»Es muß ein Landstreicher oder so jemand gewesen sein. Er hat nur Kleider und Lebensmittel mitgenommen.« »Und meine beste Pfanne!« »Und niemand hat etwas gehört, oder?« Nacheinander schüttelten sie die Köpfe. »Nicht einmal die Hunde haben gebellt«, fügte Pat unbehaglich hinzu. »Ich meine, ich hätte die Pferde gehört, aber es kann auch sein, daß der Wind sie unruhig gemacht hat«, sagte Sean. »Die Pferde!« riefen Pat und Mullan gleichzeitig und rannten zur Hintertür hinaus. Michaels Großmutter schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich noch nie erlebt«, sagte sie und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Keiner von ihnen hatte sich irgendwie verändert, dachte Michael. Es war nicht schockierend, sie wieder zu sehen. Er hatte das Gefühl, daß seine Erinnerungen in ein paar Tagen nur noch wie ein Traum waren. Seine Großmutter stellte einen große Teekanne auf den Herd, und Sean ging hinaus zu seiner Arbeit. Er murmelte etwas davon, daß die Kühe sich nicht selbst melken würden. Michael war in Gedanken versunken, und als Tante Rachel ihn mit scharfer Stimme fragte, ob er sich heute morgen gewaschen hatte, hörte er kaum hin. Sie rüttelte ihn an der Schulter, und er hob den Kopf und sah sie an. »Was?« Kreidebleich wich sie zurück. »Nichts, nichts.« »Du mußt dich langsam auf den Weg machen, Michael«, sagte seine Großmutter über die Schulter. Sie briet Eier und Speck, und der herzhafte Duft zog durch den Raum und ließ Michael das Wasser im Munde zusammen laufen. Sie stellte einen dampfenden Teller vor ihm auf den Tisch und lächelte. Dann verschwand ihr Lächeln. »Alles in Ordnung, Michael?« Gereizt bejahte er ihre Frage und begann, das Essen herunterzuschlingen. In der Stille, die dann in der Küche herrschte, sah er auf, und bemerkte, daß seine Großmutter und Tante Rachel ihn anstarrten. Ihm wurde klar, daß er das fettige Essen mit den Fingern in den Mund gestopft hatte. Er wischte sich die Hände an seinem Hemd ab und grinste verlegen. »Mach mich besser auf den Weg«, murmelte er. »Vergiß deine Tasche nicht«, sagte seine Größmutter mit schwacher Stimme. Er ergriff die Tasche und eilte aus dem Haus. Erleichtert spürte er die kalte Morgenluft im Gesicht. In der Küche hatte er geschwitzt, und die Wände schienen so nah zu sein und die Decke so niedrig. Er war sich wie lebendig begraben vorgekommen. Hier war es besser, obwohl immer noch dieser Geruch in der Luft lag, der ihn die Nase rümpfen ließ. Er konnte die Pferde in den Ställen riechen, den Duft von Mullans Pfeife, den Kuhdung von den Weiden und einen schwachen Fuchsgeruch von dem Feld hinter dem Haus, wo die meisten Hühner ihre Nester hatten. Dieser Dieselgestank -der Traktor. Er spuckte aus, um den Geschmack aus dem Mund zu bekommen. Mullan kam aus dem Stall. Er zog einen Rauchschleier hinter sich her, und unter seinen Stiefel stoben Funken über das Pflaster. »Mike!« rief er. »Was?« Michael fühlte sich unbehaglich. »Hast du mit dem Pferdegeschirr herumhantiert? Es ist völlig durcheinander, und da liegt ein Sattel, der aussieht wie unser leichter Reitsattel, aber er ist völlig verschrammt. Und dann diese ...« Er hielt einen alten speckigen Lederbeutel hoch; Michael wußte, daß er die Reste eines Winterhasen enthielt, der in einer anderen Welt gefangen worden war. Der Gestank von leicht verdorbenem Fleisch ging von dem Beutel aus. »Vielleicht hat der Landstreicher ihn liegen lassen, der im Haus war«, mutmaßte Michael. »Ein Landstreicher, oder ein verfluchter Höhlenmensch.« Dann blieb Mullan stehen und nahm die Peterson aus dem Mund. »Herr im Himmel, Mike. Was ist mit dir passiert?« »Was soll mit mir passiert sein?« »Deine Augen. Es hat mir einen Schauer über den Rücken gejagt, als ich sie eben in der Küche gesehen habe. Hast du nicht geschlafen?« »Ich bin in Ordnung.« Seine Stimme
Weitere Kostenlose Bücher