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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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Schatten; dumpf klangen die Hufe seines Pferdes über das Pflaster. Er wirkte unglaublich groß, ragte in den Sternenhimmel, und der Mond leuchtet hinter seinem Kopf. Sein Gesicht war im Schatten der Kapuze nicht zu erkennen. Michael stockte das Herz für einen Augenblick. Er war reingelegt worden. Cat hatte ihn nicht hierhergerufen. Es war ein Trick des Schwarzen Reiters gewesen. Jetzt war seine Seele verloren. Doch er spürte keine Angst. In seinem Zustand völliger Erschöpfung und unerträglicher Schmerzen konnte er plötzlich klar denken, sein Gehirn arbeitete mit eisiger Logik. Das Schlimmste hatte er schon hinter sich. Es war ihm egal, was noch kam. Mit schmerzverzerrtem Gesicht kam er auf die Beine. »Was zum Teufel bist du?« murmelte er. Und wie zur Antwort hob der Schwarze Reiter die Hand und streifte eine Kapuze zurück. Michael riß die Augen auf. Es gab dort nichts Menschliches. Der Kopf sah aus wie ein überwucherter Baumstumpf aus dunklem Holz, um den sich Geißblattranken wie eine Halskette wanden. Stechginster, Mistelzweige und Waldrosen hingen wie Haare herab. Da, wo die Augen sein mußten, leuchteten zwei Ebereschenbeeren, und ein Kranz aus Schwarzdorn wand sich wie eine Krone darüber. »Ich bin der Wildwald«, sagte der Schwarze Reiter mit weicher Stimme. Es klang wie das Rauschen des Windes in den Kronen der großen Bäume. Die Stimme hatte keine Tiefe, so als sei die Brust, der sie entstammte, kein luftdichtes Gebilde, sondern ein luftiger Laubkorb. »Cat«, flüsterte Michael. »Wo ist sie?« Hier, Michael. Die Worte glitten an ihm vorbei, wie ein Blatt im Wind. Wir sind alle hier, Michael. Er merkte, daß die Stimme von dem Schwarzen Reiter kam. »Was hast du mit ihr gemacht -mit Rose? Was zum Teufel willst du?« »Dich.« Michael wich zitternd zurück. »Nein.« Ohne einen wahrnehmbaren Übergang saß Cat plötzlich vor ihm auf dem Pferd. Ihre Narben waren verschwunden, und ihr Haar schimmerte im Mondlicht. »Ich bin es, Michael. Ich bin ein Teil des Waldes, wie ich es immer war. Ich habe mich nicht verändert — aber ich habe jetzt keine Angst mehr.« »Er hat dich geholt, Cat. Er hat dich doch noch erwischt. Es war mein Fehler. Es tut mir leid.« Sie wirkte verärgert. »Du verstehst es nicht, nicht wahr?« Aber dann verschwand ihr Gesicht, und er sah wieder die bemoosten Gesichtszüge des Schwarzen Reiters vor sich. Der Grüne Ritter. »Ich bin der Wildwald«, sagte die Gestalt wieder. »Und ich bin alles, was du willst. Was du siehst, ist, was du sehen willst. Wurzel und Ast, ich bin aus dem gleichen Holz wie jeder Baum, der in dieser Welt wächst.«

    Und dann saß Nennian auf dem reglosen Pferd. Ein leichtes Lächeln lag auf seinem breiten Gesicht. »Du hast dich verändert, Waldläufer. Die Welt, in der du jetzt lebst, paßt nicht zu dir. Du gehörst genauso in den Wald wie ich.« »Er hat dir die Seele genommen«, krächzte Michael. Der Priester lächelte immer noch und schüttelte leicht den Kopf. »Du verstehst noch immer nichts.« Er verschwand. »Was ist mit Rose? Was ist mit ihr passiert? Ist auch sie hier?« »Sie ist in deiner Welt gestorben, aber ja, sie ist hier. Sie hatte eine Tochter, die dem Wald gehörte.« Cat. Michael hatte es schon seit Jahren geahnt. Sie war seine Cousine. »Laß mich Rose sehen.« »Sie ist tot.« »Das war Nennian auch.«

    »Der Priester war ein Teil des Waldes, Teil dieser Welt. Er wird daher nie wirklich sterben.« »Also war meine Suche von Anfang an vergeblich. Ich hätte Rose niemals finden können.« Er war verbittert; verbittert und verletzt. Alle Leiden waren umsonst gewesen. Er hatte seine Zeit in dieser Welt sinnlos vergeudet, vielleicht auch Cats. Der Schwarze Reiter antwortete nicht. Die Kälte fraß sich immer tiefer in Michaels Körper, und das Blut seiner Wunden war zu dunklen Kristallen gefroren. Er glaubte nicht, daß er noch viel Zeit hatte. »Warum bin ich hier? Du hast mich hierhergebracht, nicht wahr?« Der laubumkränzte Kopf nickte leicht. Sein Pferd schnupperte an dem weißen Boden. Rauhreif bildete sich an seinen Nüstern, aber es schien gegen Kälte unempfindlich zu sein. Michaels Gesicht verwandelte sich in eine Eismaske; sein Atem kondensierte um Mund und Nase. Leichtes Knistern ertönte, wenn er sprach. Er war sehr müde. »Wenn du hier stirbst, bist du mein«, sagte die Stimme. »Dann wirst du ganz zum Wald gehören.« Michael begriff, daß der Wildwald zu ihm sprach. Das Schloß war nur noch eine Ruine, ein

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