Der magische Zirkel - Der Abgrund: Band 4 (German Edition)
Tier wehrte sich und biss ihr in die Hand. Blut tropfte von Cassies Fingern auf den Boden.
Sie warf die orangefarbene Katze aus dem Zimmer und schloss, so rasch sie konnte, die Tür. Doch in der Zwischenzeit war die graue Katze auf das Bett gesprungen und vergrub ihre Schnauze in Fayes Nacken, um sie zu wecken.
» Autsch!« Faye schreckte hoch.
Geschmeidig und schnell wie die beiden Katzen stürzte Cassie zu Fayes Schrank und schloss sich lautlos darin ein, bevor Faye sie entdecken konnte.
» Au – was ist denn in dich gefahren?«, schimpfte Faye, jetzt hellwach, die graue Katze.
Aus Gewohnheit hielt Cassie den Atem an und schloss die Augen.
Faye sagte nichts mehr, aber Cassie konnte das Rascheln der Bettdecke hören. Sie war sich sicher, Faye spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Erklärungen und Entschuldigungen schossen ihr durch den Kopf. Wenn sie nur einen Zauber gekannt hätte, um sich unsichtbar zu machen. Das war das Einzige, was sie jetzt noch retten konnte, falls Faye die Schranktür öffnete.
Doch dann hörte sie Faye kichern. » So ist es brav«, sagte sie. » Jetzt lass Frauchen ihren Schönheitsschlaf machen. Wenn du weiter schön brav bist, kannst du heute Nacht hier oben bei mir bleiben.«
Cassie stieß den Atem aus. Das war knapp gewesen. Aber als sie vorsichtig die Augen öffnete, wirkte der Schrank irgendwie verändert. Eins der Kleidungsstücke, die von den Bügeln hingen, verströmte ein ungewöhnliches, aquamarinfarbenes Licht.
Der Rufzauber funktionierte also immer noch. Das Leuchten kam aus Fayes Lieblingslederjacke, die sie jeden Tag trug, egal, wie das Wetter war. Cassie rieb mit den Fingern über das weiche Leder und das glatte, rote Innenfutter.
Natürlich. Faye hatte das Strumpfband in das Futter der Jacke eingenäht.
Cassie zerrte an dem Innenfutter, bis es riss. Und da war es – das grüne, lederne Strumpfband. Als Cassie es herausnehmen wollte, fielen ihr die Funken ein, an denen sie sich im Keller die Finger verbrannt hatte. Also nahm sie erneut den Obsidiankristall aus ihrer Tasche und strich damit über das Strumpfband, um es von Fayes möglichem Zauber zu befreien. Und dann konnte sie endlich danach greifen.
Triumphierend hielt sie das Strumpfband in der Hand. Sie bewunderte seine glänzenden Schnallen und konnte kaum glauben, dass sie es geschafft hatte. Sie hatte es wirklich geschafft! Aber zum Jubeln blieb keine Zeit. Cassie konnte hören, wie die orangefarbene Katze von außen an Fayes Zimmertür kratzte. Sie musste so schnell wie möglich das Weite suchen, bevor Faye erneut aufwachte.
Hektisch versuchte sie, das zerrissene Futter wieder zu richten, aber ohne Nadel und Faden oder einen passenden Zauber war das unmöglich. Faye würde wohl oder übel am Morgen entdecken, dass das Strumpfband verschwunden war – das war nicht zu ändern. Aber es spielte eigentlich keine Rolle. Bis dahin wäre Cassie längst in Cape Cod, ausgestattet mit der Macht aller Meisterwerkzeuge.
Sie ließ die Jacke, so wie sie war, einfach hängen, schlüpfte aus dem Schrank und rannte lautlos durch das Zimmer. Als sie die Tür öffnete, sprang die orangefarbene Katze herein, doch das war Cassie jetzt egal. Binnen Sekunden eilte sie die Treppe hinunter und verließ das Haus auf dem gleichen Weg, auf dem sie es betreten hatte.
Erst dann realisierte sie, was passiert war. Sie war im Besitz aller Meisterwerkzeuge. Sie hatte die Macht, Scarlett zu retten – ohne die Hilfe des Zirkels.
Kapitel Sechsundzwanzig
Am nächsten Morgen erwachte Cassie um Punkt fünf Uhr. Sie hatte sich keinen Wecker gestellt, um ihre Mutter nicht zu alarmieren. Doch das war auch gar nicht nötig gewesen: Offenbar hatte sich ihr Körper so sehr auf die bevorstehende Aufgabe eingestellt, dass sie von ganz allein hellwach war. Heute fühlte sie sich den Elementen nicht ausgeliefert. Heute fühlte sie sich eins mit ihnen.
Sie stand auf und zog sich feierlich an, wie ein Spartaner, der in den Krieg zog. Sie schlüpfte in das weiße Gewand, das Diana ihr geschenkt hatte, legte stolz den silbernen Oberarmreif an, gürtete das lederne Strumpfband um ihren Schenkel und setzte sich das funkelnde Diadem aufs Haar. Sie war bereit, ihre Schwester zu retten.
Cassie ging nach unten in die Küche. Sie musste sich den Wagen ihrer Mutter borgen. Natürlich ohne zu fragen, schließlich konnte sie ihr nicht verraten, dass sie ihn brauchte, um gegen Hexenjäger zu kämpfen und die Schwester zu retten, von der ihre Mutter ihr nie
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