Der magische Zirkel - Der Abgrund: Band 4 (German Edition)
kam, um diese geheime Mission unbemerkt zu meistern.
Cassie war sich im Klaren darüber, dass Faye das Strumpfband vermutlich nicht unbewacht in irgendeinem Versteck liegen hatte. Dafür war Faye viel zu besessen von ihrer magischen Macht. Diesmal musste Cassie also nicht nur das Versteck finden, sondern aller Voraussicht nach auch Magie anwenden, um das Strumpfband in die Hände zu bekommen.
Cassie wusste, wie man durch den Keller in Fayes Haus eindringen konnte. Sie brauchte nur den Riegel von der hölzernen Kellertür im Hinterhof zu heben und unauffällig hindurchzuschlüpfen – genau so schlich sich Faye nachts hinaus und kehrte später wieder nach Hause zurück.
Sobald sie drinnen war, schaute Cassie sich gründlich um. Der Keller war dunkel und modrig und vollgestopft mit staubigen Kisten und feuchten Pappkartons. Cassie kam der Gedanke, was wohl passieren würde, falls Faye sich auch heute Nacht hinausgeschlichen hatte und durch die Kellertür zurückkehrte. Faye würde sie vernichten. Cassie schauderte und warf einen Blick zur Tür. Aber sie wusste, dass es kein Zurück mehr gab, was auch geschah. Bevor ihre Furcht die Oberhand über sie gewinnen konnte, beschloss sie, ihr Glück mit einem Rufzauber zu versuchen.
Sie griff nach dem rosafarbenen Quarzanhänger um ihren Hals und flüsterte eine Beschwörung aus ihrem Buch der Schatten, die sie zweckgemäß anpasste.
Einstweilen verschwunden,
Bald wieder gefunden:
Altes Strumpfband, offenbare dich.
Nichts geschah. Aber sie wartete geduldig, kreiste durch den Raum und wiederholte die Worte.
Immer noch nichts. Sie seufzte. Pech gehabt. Also musste sie es mit einem stärkeren Zauber versuchen. Es handelte sich ebenfalls um einen Rufzauber, aber laut ihrem Buch der Schatten spürte dieser Zauber die Energie eines Gegenstands auf, nicht nur den Gegenstand selbst.
Cassie schloss die Augen. Der Zauber erforderte ihre ganze Konzentration. Sie atmete tief ein und aus, bis sie einen meditativen Zustand erreichte. Es dauerte einige Minuten, doch dann ging ihr Atem synchron zu ihrem Herzschlag. Sie konzentrierte sich auf diesen Rhythmus, bis sie das Gefühl hatte, ihn zu kontrollieren, als kontrolliere sie den Puls des Lebens selbst. Und dann sprach sie die Worte aus, als kämen sie tief aus ihrem Bauch.
Leitende Geister, seid gnädig mir,
Scharfblick und Klarsicht verleiht mir hier.
Altes Strumpfband, dich beschwöre ich,
Aus der Dunkelheit ins helle Licht,
So leite deine Leuchtkraft mich.
Cassie öffnete die Augen und sah ein aquamarinfarbenes Leuchten vor sich. Es schwebte im Raum und schien nur darauf zu warten, dass sie es bemerkte. Dann stieg es in die Luft auf und hinterließ eine Spur wie ein Kometenschweif.
Genau so hatte Cassie sich immer Magie vorgestellt. Sie folgte der aquamarinfarbenen Spur durch den Keller bis zu einem Lagerraum unter der Treppe.
Cassie jubelte innerlich. Hier musste es sein.
Da hörte sie etwas – Schritte über sich. Ihr stockte der Atem, und sie versteifte sich, während sie erneut den Schritten lauschte. Vollkommen reglos stand sie da und hielt angestrengt Ausschau nach dem möglichen Versteck. Da war es wieder, das Geräusch, doch jetzt begriff sie, dass es nur der Wind war, der die Holztür in ihrem Rahmen erzittern ließ. Falscher Alarm, aber er reichte aus, um ihre Konzentration zu stören. Das aquamarinfarbene Licht flackerte.
Der Raum unter der Treppe war niedrig und eng und voller Kartons. Cassie strich mit den Händen über einige der feuchten Pappdeckel, um mögliche Vibrationen zu spüren. Vorsichtig, damit sie keinen Lärm machte, sah sie die Kartons durch, bis ihr einer mit einer schwachen Musterung auf der Seite auffiel – ein Kringel, ähnlich einem keltischen Knoten. Hastig hob Cassie den Deckel an und schaute hinein. Ein weiteres Behältnis. Eine stählerne Dokumententruhe. In ihrer Aufregung griff sie ohne Weiteres danach. Funken sprühten und versengten ihr die Finger.
Natürlich hatte Faye die Truhe mittels eines Zaubers geschützt. Cassie wühlte in ihrer Tasche und holte den Obsidiankristall heraus, den sie von zu Hause mitgebracht hatte. Scharfkantig und schwarz wie Lava schmiegte sich der Stein genau in ihre Hand. Sie konnte ihn als Waffe benutzen. Vor allem aber besaß er die Fähigkeit, dunkle Energie zu beseitigen. Sie strich mit dem Kristall über die Truhe und flüsterte weitere Worte aus ihrem Buch der Schatten, um Fayes Zauber außer Kraft zu setzen: » Dunkelheit, heb dich hinweg,
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