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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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machen, aber diese Chance hast du dir verspielt. Dann eben so.«
    Der Stahl schlitzte ihn auf wie ein Stück Schlachtvieh und schnitt durch Fleisch und Gedärme. Es fühlte sich an, als würde etwas in ihm explodieren und sämtliche inneren Organe zerreißen. Als er sich übergab, hatte er das Gefühl, seine eigenen blutigen Eingeweide zu erbrechen. Dann glitt er wieder in die Bewusstlosigkeit, fühlte sich ganz leicht und verließ anmutig und mühelos seinen entstellten Körper. Er betrachtete ihn von außen, nicht mit Ekel, sondern mit der Einsicht, dass es eben so hatte kommen müssen, dass nichts von dem, was in dieser Hütte passierte, gegen seinen Willen geschah. Er glitt immer weiter fort, während er die Gestalten unter sich beobachtete, von denen die eine wie in Embry-
onalstellung auf dem Boden lag. Er sah, wie sich der Bauch des Mannes bewegte, hörte seinen gleichmäßigen Atem. Er würde überleben. Auch die Gestalt, die mit den Armen an
einem Haken in der Decke hing, lebte noch, obwohl der Schatten um ihren Kopf verriet, dass sie sich in schwerem Schock befand. Der Henker, der mit blutiger Hand durch Haut und Fleisch schnitt, sah aus wie eine Spiegelung, als stünde er außerhalb seines wahren Ichs. Das ganze Drama spielte sich in Zeitlupe ab, langsam und überdeutlich. Das Blut floss, der Schatten um den Kopf des Opfers wurde immer dunkler. Da fiel ein Lichtschein quer über den Boden und wurde langsam länger. Er kam von der Tür. Im nächsten Moment wurde sie auch schon aufgerissen, und drei Männer kamen hereingestürmt. Aber dann sah es plötzlich aus, als würden sie sich in Luft auflösen. Die gesamte Umgebung verschwand. Danach wurde es völlig dunkel.

50

    Der Frost biss sie in Nase und Wangen, und der Schnee lag meterhoch, so dass sie sich auf der Suche nach dem Grabstein einen Weg bahnen mussten. Schließlich fanden sie ihn in einer Ecke des Friedhofs. Karianne schob bedächtig den Schnee mit der Hand zur Seite, so dass sie den Stein ganz sehen konnten. Sie fassten sich an den Händen und starrten auf die Gravierung. Dieser Moment gehörte definitiv Karianne, aber er war mit ihr hergekommen, weil er sich wünschte, künftig alle bedeutenden Augenblicke mit ihr zu teilen. Denn jetzt waren sie eins.
    Seit der Operation waren fünf Wochen vergangen, die Rekonvaleszenz war unproblematisch verlaufen, und bis jetzt deutete nichts darauf hin, dass ihr Körper die Niere abstoßen würde. Sie wurde von Tag zu Tag kräftiger und hatte es sich zum Ziel gesetzt, gegen Ende des Monats wieder zur Arbeit zu gehen. Das war wahrscheinlich extrem optimistisch, aber die Entscheidung lag schließlich bei ihr. Die Bank hatte ihr bereits versprochen, sie weiter zu beschäftigen, obwohl Ellen Steen längst aus dem Koma aufgewacht und auf dem Weg der Besserung war.
    Karianne ließ seine Hand los und kniete am Grab nieder. Niklas ließ sie mit ihren Gedanken allein und dachte stattdessen zurück an die Zeit vor drei Monaten, an die dramatischen Minuten, nachdem Brocks aufgetaucht war, um ihn zu retten. Ihm gefiel der Gedanke, dass es so vorherbestimmt gewesen war, dass alle Kräfte zusammenwirkten, um Karianne zu retten, und dass es niemals auf die Art hätte geschehen dürfen, wie Lind es geplant hatte. Und wieder einmal sollte Reinhard der Retter seiner Tochter sein. Er hatte begriffen, dass Niklas’ Reaktion in den Briefen von Kariannes Verehrer begründet sein musste, und als er die Unterschrift auf dem Brief der Polizei sah, den Brief, den Amund Lind im Auftrag seines Vorgesetzten unterschrieben hatte, hatte er eins und eins zusammengezählt. Er hatte sofort Brocks alarmiert, ihm den Tipp mit der Hütte gegeben und war Karianne damit sogar noch zuvorgekommen. Das verschaffte ihnen einen zehnminütigen Vorsprung, ein Vorteil, der Niklas schließlich das Leben retten sollte.
    Auch Rino hatte überlebt, offenbar ohne bleibende Schäden. Ein steifer Hals und wiederkehrende Kopfschmerzen, das war alles. Er hatte Even Haarstads Pflegevater im Altenheim aufgesucht, weil er den Mann sehen wollte, der fast zwei Jahre kein Wort gesprochen hatte und dessen Sadismus der Nährboden für so viel Hass gewesen war. Doch dann war etwas geschehen, der Alte hatte sein Schweigen gebrochen und das alte Gerücht bestätigt, wer Evens Vater war – nämlich kein Geringerer als der Polizist Amund Lind. In diesem Moment ging Rino auf, wie groß die äußerliche Ähnlichkeit war, vor allem in den markanten Gesichtszügen, die den

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