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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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einmal ein Zipfelchen von dieser utopischen Liebe erhaschen, und dann ist ihre Sehnsucht geweckt. Glücklicherweise gehöre ich zur letzten Kategorie. Meine Mutter war eine dieser Frauen, die nie Liebe zeigen konnten, ganz einfach weil sie nicht wusste, was Liebe ist. Sie war zweifellos eine Psychopathin, aber sie litt auch unter dem, was in der medizinischen Terminologie als Anhedonie bezeichnet wird – das gehört zum Gesamtbild. Erst als ich in die Schule kam, entdeckte ich, dass es eine Welt jenseits dieser Apathie gab. Am Anfang deutete ich alle Signale falsch, ich verstand überhaupt nichts, bekam Angst und zog mich zurück. Aber bald konnte ich gar nicht mehr genug kriegen, und ich wäre am liebsten den ganzen Tag in der Schule geblieben. Ich begann zu verstehen. Aber als ich später den Briefwechsel mit Karianne anfing, weckte das Gefühle in mir, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie hatte. Von Liebe war nie die Rede, ich bin ganz einfach nicht in der Lage zu lieben. Es war eher der intensive Wunsch, auf sie aufzupassen. Und das habe ich seit jenem Tag getan. Bis heute.«
    Lind hielt ihm das Skalpell vor die Augen. »Ich habe diese Hütte schon ein paarmal gemietet, also werden sie uns wohl finden. Ich gebe ihnen eine Stunde. Ich weiß nicht, ob du dann immer noch am Leben bist, Niklas, aber glaub mir, ich würde es mir aufrichtig wünschen. Ich kann nur einfach nicht zulassen, dass du kneifst. Karianne soll weiterleben, koste es, was es wolle.«
    »Amund, ich …«
    »Pschhhht.«
    »Amuuu …« Seine Stimme erstarb zu einem leeren Flüstern.
    »Ich werde es so schonend machen wie irgend möglich, aber was ich da vorhin über die Betäubung gesagt habe …«
    Linds Atem roch nach Metall.
    »… das war eine kleine Lüge. Du wirst es wie ein Mann nehmen müssen.«
    Lind griff nach den Ärmeln von Niklas’ Hemd und riss sie ab.
    »Wenn es dich irgendwie tröstet«, sagte er und begann sein eigenes Hemd aufzuknöpfen, »… schlimmer als so kann es kaum werden.« Lind öffnete sein Hemd und enthüllte einen Körper, der so abstoßend aussah, dass es fast schon unwirklich war. Seine Haut, besser gesagt das, was einmal seine Haut gewesen war, ähnelte der eines Fisches, geschuppte Bereiche wechselten mit glatten rosa Flächen, und das Ganze war übersät mit rosinengroßen schwarzen Flecken. »Was meinst du, wer würde in so einen Körper schlüpfen wollen? Dabei ist es heute gar nicht mehr so wild. In der Pubertät war ich ein wandelnder Mettkloß.« Ein Hauch von Traurigkeit zog über sein Gesicht, bevor er das Hemd wieder zuknöpfte. Dann holte er eine Kühltasche hervor, und bei diesem Anblick erwachte Niklas’ Stimme wieder zum Leben. Er heulte aus Leibeskräften, einen letzten kräftigen Todesschrei, bevor Lind das Skalpell unter seinen Rippen ansetzte, durch die Haut und ins Fleisch drückte. Es ging so leicht, als würde er durch Butter schneiden. Erst kam Blut, jede Menge Blut, dann der Schmerz. Und dann ein ohrenbetäubendes Krachen.

48

    Ein Regen aus Glaspartikeln, ein Stock, der auf Linds Gesicht landete, ihm die Haut der linken Gesichtshälfte aufschürfte und ihn zu Boden gehen ließ. Eine Schattengestalt war durchs Fenster geklettert und hatte sich auf Lind gestürzt. Das Gebrüll der beiden erfüllte die ganze Hütte, darunter mischte sich das knirschende Geräusch von zertretenem Glas. Niklas befand sich in einem Schockzustand, der Anblick seines verletzten Körpers lähmte ihn vollkommen. Er zwang sich wegzusehen und stattdessen zu den Männern zu blicken, die mit bloßen Fäusten aufeinander losgingen. Er wusste erst nicht, wer ihm da zu Hilfe gekommen war, doch dann meinte er in den herabregnenden Glasscherben einen Holzclog auszumachen. Rino.
    Die Männer prügelten sich wie die Wahnsinnigen. Inzwischen kamen die Schreie nur noch von Lind, er klang verzweifelt und schwach, als würde er jede Beherrschung verlieren bei dem Gedanken, dass er so kurz vor dem Ziel doch noch scheitern könnte. Seine Kleider waren schon ganz blutig, manches stammte von Linds Gesicht, doch beide Männer fügten sich tiefe Schnitte zu, während sie sich in den Glasscherben wälzten. Schließlich gelang es Lind, Rino die Jeansjacke über den Kopf zu ziehen und so den Spieß umzudrehen. Jetzt gingen die Faustschläge auf Rinos Gesicht nieder.
    Niklas spürte, wie er wieder Herr seiner selbst wurde, und wusste, dass er es um jeden Preis vermeiden musste, seinen eigenen blutigen Körper anzusehen. Vorsichtig

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