Der Mahlstrom: Roman (German Edition)
hatte. »Eine Jobmöglichkeit? Erzähl!«
»Tja, Ironie des Schicksals. Die Bank hat mich angerufen. Die Frau, die da überfallen wurde, steckte gerade mitten in ihrem Monatsbericht. Sie haben angefragt, ob ich wohl ein paar Wochen aushelfen könnte.«
»Aber das ist doch spitze«, rief er, obwohl die gute Nachricht einen bitteren Beigeschmack hatte.
»Ja …« Sie zögerte. »Ich muss am Neunzehnten zur Kontrolle. Danach weiß ich nicht, was kommt. Aber immerhin ist es ein Anfang.«
»Wann fängst du an?«
»Ich habe versprochen, morgen vorbeizukommen und mir einen Überblick zu verschaffen.« Sie beugte sich hastig vor und pustete ihm ins Gesicht. »Riecht es nach Pisse?«
Ihr Atem roch säuerlich metallisch. »Nein. Nach Omelett.«
»Sicher?«
»Und nach Metall, aber ich würde da weiter nichts merken. Wenn du also nicht unbedingt vorhast, deinen Kollegen zur Begrüßung ins Gesicht zu pusten …«
Sie lächelte das Lächeln, für das er sie so liebte – halb frech, halb schüchtern. »Iss auf. Du musst noch einen Verbrecher fangen.«
Die Sache gefiel Niklas immer weniger. Die Attacke auf Ellen Steen war scheinbar unmotiviert, nichtsdestoweniger hatte ihr der Täter die Haare gefärbt und ihr ein Kleid angezogen, damit sie einer Puppe ähnelte, die ein paar Tage zuvor an Land getrieben war. Das Ganze sah aus wie ein Theaterstück, das absichtlich übertrieben inszeniert war, damit auch noch die Zuschauer in der letzten Reihe kapierten, was man ihnen sagen wollte. Doch Niklas sah nichts als zusammenhangslose Bruchstücke.
Die Ermittler begannen sich langsam im Kreis zu drehen, weswegen Niklas sich vorgenommen hatte auszubrechen, und sei es nur für eine Weile. Er fuhr zum Strand, an dem man die Puppe gefunden hatte. Der Sandstreifen lag in einer kleinen Bucht, in der die Vegetation langsam an den Fuß der Berge zurückwich. Die Häuser sahen alle so aus, als wären sie von der letzten Generation erbaut worden, und er stellte überrascht fest, dass die meisten von ihnen bewohnt schienen. Er folgte dem Kiesweg, der parallel zum Strand verlief, bis er eine kleine Ausfahrt erreichte. Dort parkte er und nahm einen Schafstrampelpfad, der sich am Ufer entlangschlängelte. Die leichte Brise hatte sich zu einem beißenden Wind ausgewachsen, der schwere Wogen gegen die großen Steine am Strand donnern ließ. Niklas beugte den Nacken, stemmte sich gegen die Vorboten des Herbstes und heftete den Blick fest auf seine Füße, um auf seinem Weg zum Wasser nicht zu stolpern.
Unten setzte er sich auf eine kleine Landzunge. Die Wellen brandeten ans Ufer. Wenn er irgendwo ein kleines Bastfloß zu Wasser lassen würde, würde es bestimmt auch hier an Land treiben. Doch sobald sich die Windrichtung änderte, würden die Wellen das Floß zu einem der Strände in den vielen anderen Buchten tragen. Hatte der Täter vielleicht hier gesessen und auf die richtige Windrichtung gewartet, bevor er seine Floße ins Wasser setzte? Nicht ganz von der Hand zu weisen. Ein Boot hätte mehr Aufmerksamkeit erregt und hätte sich hinterher auch leichter aufspüren lassen.
Niklas drehte sich um und nahm die Häuser näher in Augenschein. In acht brannte Licht. Also bestand auch die Möglichkeit, dass der Täter beobachtet worden war. Er zückte sein Handy und wählte Linds Nummer.
»Niklas? Wo bist du?«
»Ich weiß nicht, wie das hier heißt – der Strand, an dem die schwarz gekleidete Puppe gefunden wurde.«
»Kleivan. Was machst du da?«
»Ich sitze auf einer kleinen Landzunge. Ich glaube, dass er die Puppen hier ins Wasser gesetzt hat.«
»Und?«
»Das bedeutet, es könnte sein, dass er beobachtet wurde.«
Lind wartete auf die Fortsetzung.
»Es ist halb drei. Ich glaube, in ein paar Stunden treffen wir alle zu Hause an. Es wäre sicher von Vorteil, wenn wir jemanden schicken würden, den sie kennen. Außerdem möchte ich zu Ellen Steens Tante gehen und mir den Hausschlüssel noch mal geben lassen.«
»Haben wir was übersehen?«
»Kann sein. Er hat sie nicht grundlos so angezogen wie diese Tawana.«
»Okay. Ich sprech mal mit Norvald, der kennt da draußen jeden. Außerdem bekommen wir im Laufe des Abends noch Unterstützung vom Landeskriminalamt. Brocks will, dass der Sache so schnell wie möglich ein Ende gesetzt wird.«
»Irgendwas Neues von Ellen Steen?«
»Ich befürchte, am Status quo hat sich nichts geändert.«
Die Tante sah ihn vorwurfsvoll an, als er eine knappe halbe Stunde später bei ihr klingelte.
»Es tut
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