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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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gehörten sie dann?«, fragte er.
    Lilly Marie stand auf, ging zum Telefon und drückte eine Taste. Der Anrufbeantworter, dachte er. Sie setzte sich und hob die Tasse wieder an den Mund, bevor sie den Kopf senkte, als wollte sie im Stillen um Verzeihung bitten. Als sie schließlich den Blick hob, spiegelten sich darin Erinnerungen, die nur traurig sein konnten. »Das ist die Geschichte einer Familie«, flüsterte sie.

15
Bodø
    Es waren mehrere. Und es waren ausschließlich Frauen. Er verkroch sich hinter einer der riesigen Sägen. Von dort glaubte er mindestens vier Stimmen unterscheiden zu können, auch wenn er nur einzelne Worte verstand, und das waren bis jetzt auch nur Höflichkeitsfloskeln. Irgendwann hörte es auf zu rumoren, und die Stimmen klangen gedämpfter. Er nahm an, dass sie sich jetzt an den Tisch gesetzt hatten, und wagte sich bis zur Tür vor. Es war noch immer schwierig, mehr als vereinzelte Wörter aufzuschnappen, doch als er einen lauten Wortschwall hörte, drückte er das Ohr gegen die Tür.
    »Bei dir zu Hause? Er war bei dir zu Hause?«
    »Er hat nach Kim gefragt. Und nach Tommy. Er meinte, derjenige, der Kim überfallen hat, hat das getan, um ihn dafür zu bestrafen, dass er so ein Drecksack von Vater gewesen ist.« Das war Renate Øverlid.
    »Hat er das so gesagt?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Und was jetzt?« Eine andere Stimme.
    »Nichts. Wir haben nichts Böses getan.«
    »Trotzdem. Das gefällt mir nicht.«
    Erneutes Rumoren. Eine oder mehrere von ihnen liefen im Zimmer umher. Er ging definitiv ein Risiko ein, wenn er hier sitzen blieb, andererseits verpasste er eine Chance, wenn er sich jetzt wieder hinter die Maschinen schlich. Er beschloss, sitzen zu bleiben.
    Neue Bruchstücke drangen an sein Ohr.
    »Und mit den Schlüsseln sind wir immer noch sicher?«
    Er bemühte sich, etwas Verständliches aus dem folgenden Gemurmel herauszufiltern, aber es schien, als diskutierten sie, inwieweit eine von ihnen unvorsichtig mit den Schlüsseln umgegangen war. Er war der lebende Beweis dafür, dass es keine Schlüssel brauchte, um bei ihrem Treffpunkt einzudringen, und der Versuch, den Lüftungsschacht abzudecken, verriet, dass er mit seiner Idee nicht der Erste gewesen war.
    Sie redeten noch eine Weile über die Schlüssel, dann meinte er, den Duft von Kaffee zu riechen. Wieder plauderten sie über dieses und jenes, bis sie schließlich auf die Misshandlungen zu sprechen kamen.
    »Unser unsichtbarer Rächer.« Das folgende Gelächter verriet deutlich, dass sie ihre Exfreunde nicht bedauerten.
    Während er weitere Bruchstücke aufschnappte, wurde ihm klar, dass die Frauen so redeten, als wüssten sie nichts. Das verwirrte ihn.
    Eine scharfe Stimme drang an sein Ohr. »Renate, heute bist du dran.«
    Das Gemurmel verstummte, und er ahnte, dass sich jetzt alle Blicke auf Renate Øverlid richteten.
    »Was fühlst du?« Wieder diese scharfe Stimme, nasal und durchdringend.
    »Das mit diesem Polizisten setzt der Sache einen Dämpfer auf.«
    »Das ist verständlich. Aber denk doch mal zurück an die Zeit davor.«
    Stille.
    »Er ist trotz allem doch Tommys Vater … Und vielleicht habe ich den Gedanken nie ganz aufgegeben, dass …«
    Neues Gemurmel.
    »Aber gleichzeitig … verdient er es absolut.«
    Diesmal wuchs das Gemurmel an wie zu einem kollektiven Mantra.
    »Ich …«, Renate fing an zu weinen, und er ahnte, dass ihre Kumpaninnen sich jetzt um sie scharten, um sie zu trösten, »… es ist doch erschreckend, dass jemand sozusagen unseren Frust und unsere Verachtung in die Tat umsetzt. Am Anfang hat es mir Angst gemacht, denn es muss ja jemand sein, den ich kenne, jemand, der gesehen hat, wie Tommy gelitten hat unter der Abwesenheit von …« Weitere Tränen. »Aber er hat es verdient, er hat es so absolut verdient.« Sie schrie die Worte fast heraus, bevor sie schluchzend die Kontrolle über ihre Stimme wiederzugewinnen versuchte. »Und ich hoffe, er hat jede Sekunde, die er dort saß, an Tommy gedacht.«
    »Glaubst du, das ändert …«
    »Nicht Kim. Dieser Drecksack wird sich nie ändern. Außerdem ist es zu spät. Wenn er jetzt versuchen würde, Tommy näherzukommen … Tommy ist ein toller Junge geworden. Es wäre nie gegangen.«
    Rino spürte, dass eines seiner Beine langsam einschlief, und er versuchte, mit kontrollierten Bewegungen die Durchblutung wieder anzuregen.
    »Außerdem weiß ich nicht, ob ich mir das gewünscht hätte, dass er jetzt plötzlich ankommt und den Superpapa spielt. Ich

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