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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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wartete, dass die Stimmen verebbten und sich entfernten, doch stattdessen wurden sie lauter, und bald hörte er das unverwechselbare Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloss drehte. Sie waren hier. Die Rächer waren hier.

14
Bergland
    Niklas Hultin hatte von dem Tier geträumt. Ein Monster von einem Raubtier, das sich tagsüber vor den Menschen verbarg und nachts herauskam, um seine Beute zu jagen. Er hatte die ganze Zeit gespürt, wem das Tier auflauerte, konnte aber nichts anderes tun als hilflos zusehen. Und erst als es mit seiner ganzen Muskelkraft absprang und wie ein geschmeidiger Panther durch die Luft segelte, war Niklas mit einem Ruck aufgewacht, das letzte Bild seines Traumes immer noch vor Augen. Die Klauen.
    Sie hatten den Vormittag mit weiteren Vernehmungen zugebracht, mit der Tante und den Arbeitskollegen, wobei sie sich diesmal auf Ellen Steens Vergangenheit konzentrierten, und dabei primär auf die Männer, die darin eine Rolle gespielt hatten. Ihr Liebesleben schien von der wohlgeordneten Sorte gewesen zu sein. Geheiratet mit zweiundzwanzig, geschieden zehn Jahre später, und danach nur ein Verhältnis, das seit einem Jahr vorbei war. Ihr Exmann wurde mit warmen Worten beschrieben, und es hieß, die beiden hätten sich einvernehmlich getrennt, so dass es im Nachhinein auf keiner Seite bittere Gefühle gegeben hatte. Der Mann wohnte jetzt in Sundsvall, was bedeutete, dass die Ermittler seinen Namen von der Liste strichen, auch wenn seine schwedische Adresse ihn nicht vollkommen aus dem Kreis der Verdächtigen ausschloss. Das letzte Verhältnis war angeblich von selbst zu Ende gegangen, und nichts deutete auf Groll oder verschmähte Liebe hin. Also war es nicht gelungen, jemanden zu finden, der ein Motiv haben könnte. Außerdem war der Angriff auf Ellen Steen angekündigt worden, in Form kleiner Porzellanpuppen, die auf der anderen Seite des Erdballs produziert worden waren und Zusammengehörigkeit und ewige Liebe symbolisierten.
    Niklas beschloss, zu Hause Mittag zu essen, und schickte eine SMS , in der Hoffnung, dass Karianne irgendetwas auf den Tisch bringen würde. Die Taktik ging einwandfrei auf, denn es duftete schon nach Omelett, als er die Küchentür aufmachte. Karianne empfing ihn wie immer mit einem Lächeln und einer irgendwie aufgeräumten Stimmung, doch er sah sofort, dass dahinter noch etwas anderes auf der Lauer lag.
    »Bin gleich fertig«, sagte sie und drehte sich wieder zum Herd.
    Er legte von hinten die Arme um sie und versuchte sie zu sich zu drehen, doch sie wehrte sich.
    »Jetzt komm, die Eier werden von selbst gar.«
    »Mach keinen Blödsinn, Niklas.«
    »Ich mach keinen Blödsinn, ich will es mir ganz ernsthaft gemütlich mit dir machen.«
    »Hör auf.« Ihr Ton war so bestimmt, dass er sie losließ.
    »Was ist denn los?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich rieche.«
    »Hä?« Er drückte die Nase gegen ihre Achsel und schnüffelte demonstrativ. »Mmm. Du riechst lecker. Wie immer.«
    »Aus dem Mund.« Sie griff nach der Bratpfanne, stellte sie mit einem Knall auf den Küchentisch und setzte sich.
    »Hey, das ist doch wohl kein Grund, sich so aufzuregen, oder?« Er setzte sich vorsichtig auf den Stuhl.
    »Es riecht nach Urin«, sagte sie und zerteilte das Omelett mit wütenden Schnitten, mit denen man einen Ochsen hätte töten können.
    »Was?«
    »Mein Atem riecht nach Pisse. Ich weiß es, weil ich die Symptome wiedererkenne. Es schmeckt nach Pisse, deswegen riecht es auch nach Pisse.«
    »Ich merke nichts.« Doch er war schon in der Defensive.
    Sie kaute sorgfältig ihr Omelett, bevor sie ihm in die Augen sah. »Glaub es mir einfach. Ich möchte es dir ungern beweisen.«
    »Was bedeutet das?«, fragte er, obwohl es ihm allmählich dämmerte.
    »Das bedeutet, dass meine Nieren das Blut nicht mehr richtig filtern. Was wiederum heißt, dass die Hölle auf mich wartet. Übelkeit und Erbrechen, unter anderem. Einen Tag könnte ich gerade mal einen Eierbecher füllen mit meinem Urin, am nächsten Tag einen halben Eimer. Aber am schlimmsten finde ich, dass ich durch die Gegend laufe und weiß, dass ich nach Pisse rieche.«
    Seine Lust auf ein warmes Mittagessen war ihm vergangen. Ein unangenehm stechendes Gefühl breitete sich von seiner Brust nach unten in den Bauch aus, und es fühlte sich an, als ob er Seitenstechen hätte.
    »Und das jetzt, wo sich gerade eine Jobmöglichkeit auftut«, fügte sie hinzu.
    Daher also die Aufgeräumtheit, die er zu bemerken geglaubt

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