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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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überzeugt, dass hier noch etwas mit ihr begraben worden war, etwas, das der Erdrutsch noch nicht zutage gefördert hatte. Es dauerte nicht viel länger als zehn Minuten, bis er etwas fand, was auf den ersten Blick an ein Netz aus hauchdünnen Wurzeln erinnerte. Haare, stellte er fest. Nach ein paar Spatenstichen hatte er die Puppe freigelegt.

26

    Niklas blieb unter der Dusche stehen, bis der Boiler leer war, doch als er sich anzog und in die Küche ging, fror er immer noch. Die Puppe lag auf dem Küchentisch. Sie steckte in einer Tüte und war immer noch ganz dreckig und verfärbt von der Erde, in der sie gelegen hatte. Eine weitere asiatische Schönheit, diesmal trug sie aber ein Kleid, das seiner Einschätzung nach einmal grün gewesen sein mochte. Hinter den fleckigen Verfärbungen des Porzellans entdeckte er ein hintergründiges Lächeln, das der Puppe einen Ausdruck von Schüchternheit und Unschuld verlieh.
    Er war allein. Karianne hatte ihm eine SMS geschickt, sie arbeitete bereits in der Bank und würde eventuell etwas später kommen. Als er durch den Spalt zwischen den Gardinen die Scheinwerfer eines Autos sah, ging er davon aus, dass sie es war. Umso überraschter stellte er fest, dass es sich bei dem Auto um einen alten Volvo handelte. Der Mann, der ausstieg, trug eine verwaschene Jeansjacke, ausgetretene Holzclogs und mochte so um die vierzig sein. Er blieb breitbeinig stehen und betrachtete das Haus, bevor er sich mit der Hand durch die Überreste eines einstmals prächtigen Vokuhila fuhr und auf die Tür zusteuerte.
    Niklas ging ihm entgegen und öffnete die Tür, bevor er klopfen konnte. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Mein Name ist Rino Carlsen, ich bin von der Polizei Bodø.«
    In der leicht schäbigen Gestalt hätte man sicherlich keinen Polizisten vermutet, obwohl Niklas schon alle Mögliche zu sehen bekommen hatte. »Was führt Sie zu mir?«
    »Es geht um einen Fall, an dem ich arbeite.«
    »Und zwar?«
    »Das ist leider eine traurige Geschichte.« Der Mann ließ den Blick über die Fassade schweifen. »Sie haben vielleicht von dem Fall von Körperverletzung auf Landegode gehört, oder?«
    Obwohl sie im Grunde genommen vollauf mit ihren eigenen Problemen beschäftigt waren, war auch dieser makabre Fall unvermeidlich Gesprächsthema auf dem Revier gewesen. »Scheußlich, ja.«
    »Dann haben Sie sicher auch mitbekommen, dass es vor ein paar Tagen eine Fortsetzung gab.«
    »Die Sache mit der Verbrennung?«
    Der Polizist nickte.
    »Und diese Misshandlungen führen Sie … hierher?«
    »Ich versuche zu verstehen, warum das alles passiert ist. Unser Mann ist hier aufgewachsen. In diesem Haus.«
    Wieder packte ihn das Gefühl, als stünde alles Kopf, als würden ihn die Geschehnisse verfolgen. »Das Haus stand aber schon mehrere Jahre leer.«
    »Er ist vor zehn, zwölf Jahren weggezogen.«
    »Und jetzt möchten Sie also hier rein, um zu verstehen, warum das alles passiert ist?« Einer seiner Kollegen hatte tatsächlich die Bemerkung fallen lassen, dass kein Einheimischer dieses Haus mieten würde, und als Niklas ihn nach dem Grund fragte, hatte er angedeutet, dass der frühere Besitzer besonders unbeliebt gewesen sei.
    »Nur fünf Minuten, wenn ich nicht zu sehr störe.«
    Niklas, der die ganze Situation reichlich unwirklich fand, machte eine einladende Handbewegung. »Bitte sehr.«
    Rino Carlsen trat vorsichtig ein, als wollte er jeden kleinsten Eindruck in sich aufsaugen. Er zog die Holzschuhe im Gang aus, offenbar ohne sich für die großen Löcher in seinen Socken zu genieren. In der Küche fiel sein Blick auf die Tüte mit der Puppe.
    »Sie beschäftigen sich mit …«
    »Mit dem Puppenfall, genau. Nachdem wir es jetzt mit einem Mordfall zu tun haben, wird es wohl langsam Zeit, dass die Zeitungen den Namen korrigieren.«
    Rino trat an den Tisch. »Ich hatte sie mir größer vorgestellt.«
    »Zeitungsfotos lügen.«
    »Komisch.«
    »Was?«
    »Dieses Zusammentreffen.«
    Niklas fand es eher unangenehm. »Die Welt ist klein, besonders dann, wenn man am wenigsten damit rechnet.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Wenn Sie die Farbeimer und das Zeitungspapier beiseiteräumen, finden Sie da drunter einen Stuhl. Ich würde gern mehr von Ihrem Fall hören.«
    Zwanzig Minuten später hatte Rino ihm eine Kurzfassung der beiden Fälle von Körperverletzung gegeben, von den Kinderzeichnungen und vom mutmaßlichen Rachemotiv berichtet, von der Wahl der Tatorte und ihrem Zusammenhang mit historischen Ereignissen.

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