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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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der Treppe hatte Karianne zwei Farbeimer abgestellt, die er vorsichtig zur Seite schob. Es roch, wie alte Keller eben riechen: Staub und Moder in trautem Nebeneinander. Die Decke war so niedrig, dass sie mit knapper Not aufrecht gehen konnten. Niklas spürte, wie er mit dem Haar die Deckenbalken streifte, während er im Slalom zwischen Kartons mit neuerem und älterem Gerümpel hindurchlief.
    Eine Trennwand mit je einer Tür an den beiden Enden unterteilte den Keller. Die erste war angelehnt, die andere mit mehreren Brettern kreuz und quer vernagelt. Sie warfen einen Blick durch die offene Tür. Eine baufällige Hobelbank und zwei Paar Ski in einer Halterung an der Wand.
    »Und Sie waren noch nie in dem anderen Raum?«
    »So weit bin ich noch nicht gekommen.«
    »Haben Sie ein Brecheisen oder einen Hammer?«
    Niklas hatte nur das, was der Vorbesitzer zurückgelassen hatte.
    »Dann muss das eben reichen.« Rino griff sich eine alte Axt. »Wollen wir es damit probieren?«
    Niklas nickte.
    Rino schälte sich aus seiner Jeansjacke, schob sich die Pulloverärmel bis über die Ellbogen hoch und holte mit der Axt aus. Er musste nicht oft zuschlagen, damit sich die halbverfaulten Bretter lösten.
    »Was hoffen Sie da zu finden?«
    Rino zuckte mit den Achseln. »Ich will es verstehen«, sagte er und öffnete die Tür.
    Der Raum lag im Dunkeln. Rino tastete mit den Händen an der Wand entlang, fand aber keinen Schalter. »Haben Sie eine Taschenlampe?«
    »Oben im Gang müsste eine liegen.«
    Eine halbe Minute später richtete Niklas einen dünnen Lichtstrahl in den Raum. Bevor er erkennen konnte, was sich im Lichtkegel zeigte, zwängte Rino sich schon an ihm vorbei. »Wir haben unseren Mann«, sagte er.

27

    »Alles ist in Entwicklung. Auch der Tod. Dinge, die vor fünfzehn Jahren noch Wahrheiten waren, sind es heute nicht mehr unbedingt.« Der längst pensionierte Arzt war gebeten worden, eine erste Einschätzung der Knochenreste vorzunehmen, da er damals als Pathologe am Universitätskrankenhaus in Tromsø gearbeitet hatte. Das Skelett sollte anschließend zur weiteren Untersuchung ans Rechtsmedizinische Institut geschickt werden, doch Brocks, der sich dafür verbürgte, dass der Alte ein Meister seines Faches war, wollte gern etwas Zeit gewinnen, für den Fall, dass diese Knochen wirklich die Antwort bargen. »Ich rede dabei von der technischen Entwicklung, nicht zuletzt dem blinden Glauben an ihre Vorteile. Immer wieder ein neues raffiniertes Dingsbums zur Paraffinierung von
Gewebe und was weiß ich nicht noch alles. Darüber vergessen diese Instrumentenjunkies allerdings eines: dass das Fach der Pathologie immer noch dasselbe ist.« Er warf den Männern, die um den Stahltisch herumstanden, einen festen Blick zu. »Wofür ich nicht garantieren kann, ist das hier.« Er deutete sich mit Zeige- und Mittelfinger auf die eigenen Augen. »Sie haben mich um eine schnelle Einschätzung gebeten, und ich werde Ihnen eine schnelle geben.« Der Mann, der gegen Ende siebzig sein mochte, war so dünn, dass kaum noch Fleisch zwischen Knochen und Haut zu sitzen schien. »Wie man sehr gut mit bloßem Auge erkennen kann …«, er sah die Umstehenden nochmals an, diesmal um sie aufzufordern, näher an den Tisch heranzutreten, »… haben wir hier einen Riss in der Nähe des Bregmas, weder besonders lang noch besonders tief. Man müsste schon ziemlich erpicht darauf sein, unbedingt ein Indiz für ein Verbrechen zu finden, wenn man behaupten wollte, dass er von einer vorsätzlich ausgeführten Tat stammt.«
    »Aber …?«, hakte Brocks nach, als ob er meinte, dass der Mann ihm zumindest eine Andeutung schuldig war.
    »Aber?« Der Arzt zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Kristallkugel, also bitten Sie mich nicht zu raten, was hier passiert ist. Aber wie Sie sehen, ist der Riss ziemlich mittig, und das macht es wenig wahrscheinlich, dass er von einem Sturz stammt. Und ein Sturz wäre wiederum die einzig vorstellbare Art, wie sich jemand so verletzen kann. Man müsste schon auf eine besondere Weise fallen, um sich haargenau an dieser Stelle einen Bruch zuzuziehen.«
    »Also hat jemand sie geschlagen.«
    »Das war Ihre Schlussfolgerung. Nicht meine.«
    »Ich dachte, das hätten Sie mit Ihren Worten andeuten wollen?«
    »Richtig. Aber die Schlussfolgerung stammt immer noch von Ihnen. Ich mache meine Arbeit, Sie Ihre.« Der Arzt nahm den Schädel zwischen beide Hände und betrachtete ihn, als wäre er ein Kristallkugelersatz. »Der Schlag

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