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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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Dach lebte, alle paar Wochen. Es wäre ein Segen, wenn Meda schwanger werden könnte, denn es würde sie ablenken, aber es sollte nicht sein.
    »Du wirst sehen. Er wird mich wieder lieben, wenn ich ihm einen Sohn gebäre.«
    »Er liebt niemanden«, erwiderte Eurydike und strich ihrer Tochter über die Haare. »Er liebt nicht einmal den Sohn, den er bereits hat. Dich hat er nur aus Ehrgeiz geheiratet, und dann, als ich ihm nützlicher war, hat er mich an deine Stelle gesetzt. Er liebt niemanden.«
    »Wie kannst du das sagen? Du bist doch seine Frau.«
    »Deshalb kann es niemand besser wissen als ich. Er hat dich sehr schlecht behandelt – da kannst du doch nicht blind sein für sein wahres Wesen. Er ist ein böser Mensch.«
    »Und trotzdem liebst du ihn.«
    »Ja. Das ist der Fluch, mit dem die Götter mich gestraft haben.«
    Als Eurydike mit den Fingerspitzen Medas Wange berührte, spürte sie die Tränen ihrer Tochter.
    »Du darfst nicht weinen«, sagte sie. »Du mußt dir deine Träume aus dem Kopf schlagen. Es wäre viel besser, wenn du lernen würdest, ihn zu hassen. Verdient hat er deinen Haß ganz bestimmt. Du darfst nie wieder seinetwegen weinen.«
    »Aber du weinst doch auch seinetwegen.«
    In diesem Augenblick war es Eurydike, als würde es ihr das Herz zerreißen. Sie wünschte sich beinahe, daß es so wäre, daß sie einfach tot umfallen würde.
    »Nein, ich weine nie«, sagte sie.

21
     
     
    PHILIPP WACHTE JÄH auf. Einen Augenblick lang lag er lauschend da und wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Da war nichts. Jeder Schatten in dieser winzigen Kammer war ihm vertraut, und das einzige Geräusch war das leise schnaubende Atmen von Madzos, die neben ihm lag.
    Vielleicht hatte es draußen ein Geräusch gegeben. Vielleicht sollte er nachsehen. Philipp stieg aus dem Bett und öffnete den Laden vor dem einzigen Fenster der Kammer. Da erst zwei Tage vorher Vollmond gewesen war, konnte er gut sehen. Sogar die einzelnen Steine der Stadtmauer konnte er erkennen. Die Straße zehn oder zwölf Ellen unter ihm war leer. Nirgends war ein Geräusch zu hören. Es war mitten in der Nacht, und die anständigen Bürger von Theben schliefen.
    Doch dann hörte er es noch einmal.
    Das Dach des gegenüberliegenden Hauses endete etwa in Höhe des Fensters, und auf dem First saß, so nahe,daß Philipp nicht verstand, wie er sie zuvor hatte übersehen können, eine Eule, die ihn mit riesigen gelben Augen anstarrte. Ihr Schrei war es gewesen, der ihn geweckt hatte.
    Einen Augenblick lang blieb die Eule bewegungslos, dann spreizte sie die Flügel, flatterte, wie um auf sich aufmerksam zu machen, und schwang sich dann plötzlich in die Luft. Sie kreiste einmal über Philipp und flog dann nach Norden davon.
    Er brauchte sich nicht zu fragen, was diese merkwürdige Begegnung zu bedeuten hatte.
    »Bist du auf?«
    Philipp drehte sich um und lächelte, obwohl er nicht sicher war, ob Madzos ihn überhaupt sehen konnte. Nach dem, was geschehen war, erschien ihm sogar dieses Lächeln wie Verrat.
    »Ja, ich bin auf.«
    »Was ist los?«
    Hatte seine Stimme etwas verraten? Nach all dieser Zeit konnte Madzos vermutlich in ihm lesen wie in einer Schriftrolle, nur daß sie nicht lesen konnte. Und als Mädchen, das in einer Schenke aufgewachsen war, durchschaute sie vermutlich nur zu leicht alle menschlichen Schwächen und Gemeinheiten. Es hatte deshalb wenig Sinn, sie anzulügen.
    »Ich muß zurück«, sagte er und fragte sich, warum seine Worte so hohl klangen.
    »Wohin zurück?«
    Sie hatte sich aufgesetzt. Gleich würde sie die Lampe anzünden, und er würde sehen können, wie ihre langen schwarzen Haare über ihre Schultern und ihre Brüste fielen. Seit fast zwei Jahren schlief er mit ihr, doch nie war sein Verlangen nach ihr, nach dem Geschmack ihrer Haut und dem Druck ihrer Schenkel gegen die seinen, größer gewesen.
    »Zurück nach Makedonien. Ich muß nach Hause.«
    Zunächst sagte sie gar nichts. Als dann der Schein der Lampe Schatten über ihren Körper warf und er ihr Gesicht erkennen konnte, sah sie nicht einmal überrascht aus. Aber was konnte eine Frau denn noch überraschen, die mit acht Jahren in dieses Haus gekommen war und hier als Sklavin gearbeitet hatte, bis der Wirt sie geheiratet hatte. Mit fünfzehn Ehefrau, mit siebzehn Witwe, und seit zehn Jahren ihre eigene Herrin. Sie war beinahe um diese zehn Jahre älter als Philipp, aber der Unterschied in der Erfahrung hatte nichts mit dem Alter zu

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