Der Makedonier
zu schlafen. Schlaf erforderte einen gewissen Seelenfrieden oder zumindest eine gewisse Gleichgültigkeit dem eigenen Schicksal gegenüber. Doch je unerträglicher ihre Lebensumstände wurden, desto weniger sah sie sich in der Lage, über sie hinwegzusehen. Ihr Sohn verängstigt und launisch, in Gedanken mit Unbesonnenheiten spielend, die nur die Götter kannten. Ihre Tochter, die immer noch versuchte, ein Kind zu empfangen von dem Mann, der sie verstoßen hatte und nun benutzte wie eine Küchenmagd. Und Ptolemaios, der inzwischen mehr Wein trank, als gut für ihn war, und der noch mehr Angst hatte als Perdikkas. Sie alle schienen in einen Abgrund gezogen zu werden, aus dem es kein Entrinnen gab.
Sie hob die Lampe in die Höhe, um ihren Gatten zu betrachten, doch sie sah nichts anderes von ihm als seinen Rücken. Seine Haare waren noch immer glänzend schwarz, nur in seinem Bart zeigten sich bereits einige graue Strähnen.
Sie brauchte ihn nur anzusehen, um tief in ihrer Brust ein Zittern zu spüren, als wäre sie fünfzehn und zum erstenmal verliebt. Nein, es war noch schlimmer. Die Liebe, die sie diesem Mann entgegenbrachte, verzehrte sie, als hätten die Götter ihn zum Werkzeug ihrer Vernichtung bestimmt. Ptolemaios war treulos und böse: Er würde jeden auf dem Altar seines Ehrgeizes opfern. Sie glaubte zwar nicht, wie viele es taten, daß er etwas mit dem Mord an ihrem Sohn zu tun gehabt hatte – sie weigerte sich, es zu glauben, weil sonst ihr Leben unerträglich geworden wäre –, aber sie mußte sich eingestehen, daß ihn keine Skrupel davon abgehalten hätten. Es gab keine Sünde, zu der er nicht fähig wäre. All das wußte sie nur zu gut, aber es änderte nichts. Es war ihr Fluch, ihn trotz alledem zu lieben. Und ihn mit einem solchen blinden Verlangen zu lieben, daß sie manchmal daran zu zerbrechen glaubte wie ein Blumentopf, der auf den Steinboden fällt. Es gab Zeiten, in denen sie glaubte, verrückt zu werden.
Er bewegte sich im Schlaf und murmelte etwas mit eindringlicher, aber unverständlicher Stimme, und sie hielt unwillkürlich die Hand vor die Lampe. Aber es war nicht das Licht, das ihn störte. Ptolemaios litt an gräßlichen Träumen, so daß er manchmal schweißgebadet aufwachte und sie mit schreckensstarren Augen ansah. Er gab dem Wein die Schuld, aber es war nicht der Wein. Er wollte ihr nie sagen, was er geträumt hatte.
Das brauchte er auch nicht. Sie konnte es sich vorstellen.
Eurydike ging mit der Lampe in den Vorraum und von dort zum Zimmer ihrer Tochter. Sie war sicher, daß Meda nicht schlief.
Das tat sie auch nicht, obwohl kein Licht unter der Tür hindurchdrang.
»Mutter, bist du das?«
»Ja, Kind.« Eurydike hob die Lampe, um ihr Gesicht zu beleuchten, und lächelte. »Habe ich dich aufgeweckt?« fragte sie unnötigerweise.
Meda antwortete erst gar nicht darauf. Sie rückte in ihrem schmalen, kleinen Bett zur Seite, damit ihre Mutter sich neben sie setzen konnte.
Das Zimmer war sehr klein, so klein, daß der gelbe Schein der Lampe auch noch die Winkel der Decke ausleuchtete. Außer dem Bett gab es nur noch eine Kommode und einen dreibeinigen Hocker, auf dem nie jemand saß. Meda senkte den Blick, als schmerzte sie das Licht in den Augen.
»Schläft er?« fragte sie.
»Ja. Und wenn er aufwacht, greift er sofort nach dem Weinkrug. Er wird gar nicht bemerken, daß ich nicht da bin.«
Meda schien erleichtert, das zu hören, obwohl es ein Rätsel war, warum sie davor Angst haben sollte, daß ihrfrüherer Gatte sie zusammen überraschte. Meda hatte merkwürdige Vorstellungen von Schicklichkeit – als ob Schicklichkeit in diesem Haushalt irgendeine Bedeutung hätte.
Es war seltsam, aber Eurydike war ihrer Tochter erst nähergekommen, nachdem sie ihre Stelle als Ptolemaios’ Gattin eingenommen hatte. Sie hatte nie viel Geduld mit Kindern gehabt, und Meda war früh verheiratet worden, was bedeutete, daß sie allen anderen so gründlich entrissen wurde, als wäre sie bereits tot und begraben. Und dann hatte Ptolemaios sie verstoßen und ihre Mutter geheiratet.
Eurydike stellte die Lampe auf den Boden, und die Dunkelheit legte sich wieder über Medas Gesicht. Ihr schien es so lieber zu sein.
»Ich glaube, ich bin schwanger«, flüsterte sie erregt. »Es war Vollmond, als er vorletzte Nacht in mein Zimmer kam. Ich sehe darin ein Zeichen, daß ich meine Unfruchtbarkeit abschütteln werde.«
Eurydike lächelte nur, denn so etwas hörte sie, seitdem sie unter Ptolemaios’
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