Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
Vom Netzwerk:
– Frömmigkeit ist gut und schön.« Noch immer stirnrunzelnd musterte Pammenes den oberen Teil seines Weinstocks, als erwarte er, daß gleich ein Schwarm Vögel auf ihn herabstürzen würde. »Und wenn ich nach dem morgigen Tag je wieder von dir höre, Philipp, dann glaube ich wirklich, daß du unter dem Schutz der Göttin stehst.«
    Der Ritt nach Norden war wie eine Flucht aus dem Gefängnis. Neben anderen Dingen erkannte Philipp, daß er in Theben wirklich ein Gefangener gewesen war – wenn schon nicht ein Gefangener der Thebaner, dann seines : Gefühls der Nutzlosigkeit. In Theben war er sich vorgekommen wie der Zeuge einer Katastrophe, die er nicht verhindern konnte. Ein Bruder war ermordet worden, und der andere lebte nach dem Gutdünken des Mörders. Es war unerträglich und mußte doch irgendwie ertragen werden. Ohne einen Ausweg zu kennen, hatte Philipp doch immer gespürt, daß seine erzwungene Untätigkeit ein schändliches Schwelgen in seiner eigenen Schwäche und Feigheit war.
    Doch jetzt hatte die Göttin ihn befreit. Er wußte genau, was von ihm erwartet wurde: daß er nach Pella zurückkehrte und Ptolemaios tötete oder bei dem Versuch starb, was das Wahrscheinlichere war. Aber Pella war noch acht oder zehn Tagesritte entfernt, und in der Zwischenzeit genoß er hier auf den leeren, grasbewachsenen Weiden des nördlichen Griechenlands ein köstliches Gefühl der Freiheit, als hätte er in seinem Leben nur eine einzige Entscheidung gehabt und diese soeben getroffen.
    Obwohl er auf der Hauptstraße blieb, ritt er manchmal einen ganzen Tag lang, ohne einem anderen Reisenden zu begegnen. Der Winter ging langsam in den Frühling über, und die Regenzeit setzte ein. Es konnte passieren, daß mitten am Nachmittag sich plötzlich und ohne Vorwarnung der Himmel öffnete und etwa eine Stunde lang die Erde mit Regen überflutete. Es blieb einem dann nichts anderes übrig, als sich irgendwo einen Unterschlupf zu suchen, was in dieser baumlosen Weite nicht immer einfach war, und zu warten. Wer die Wahl hatte, blieb in diesen Stunden zu Hause.
    Zwei Stunden, bevor Philipp die Wachtürme von Pharsalos sah, wurde er mitten auf offenem Feld von einemEisregen überrascht, der ihn so durchnäßte, als wäre er in einen Fluß gesprungen. Auch seine Schlafmatte war durch und durch naß. Aus Achtung vor Pammenes, der, ohne es auszusprechen, hatte durchblicken lassen, daß es ihm lieber wäre, wenn sein Geleitbrief so selten wie möglich benutzt würde, hatte Philipp bis jetzt die Städte gemieden und sich Nahrung und Pferdefutter in Bauernhöfen am Weg gekauft, doch an diesem Abend konnte er der Aussicht auf eine Taverne, wo er gebratenes Fleisch essen, seine Kleider am Herd trocknen und in einem warmen Zimmer und einem trockenen Bett schlafen konnte, einfach nicht widerstehen.
    Zufällig spielten die Wachen gerade Würfel, als er durch das Stadttor ritt, und würdigten ihn keines Blickes. Er hätte eine ganze Armee hinter sich haben können, und sie hätten es nicht bemerkt.
    Bei der ersten Taverne, die er fand, gab er sein Pferd dem Stalljungen und ging mit seinem Bündel und seiner Schlafmatte hinein. Als er die Tür öffnete, drang ihm Lachen und einladend warme, nach Essen duftende Luft entgegen, und es war beinahe, als würde er aus einem Alptraum aufwachen. Ein großes Stück Hammelfleisch drehte sich an einem Spieß über dem Feuer, und brutzelnder Saft tropfte an ihm herab wie Schweiß. Er konnte sich nicht erinnern, je so hungrig gewesen zu sein.
    Einige Zeit später, als seine Kleidung wieder trocken und sein Bauch voll war und ihm der Kopf vom Wein schwirrte, setzte er sich auf einen Hocker vor den Herd und wartete auf die neunte Stunde. Dann würden die Lampen gelöscht und die Einheimischen nach Hause geschickt werden, und der Wirt würde ihm auf dem Boden eine Decke ausbreiten, auf der er schlafen konnte. Sein Bart war warm vom Feuer, und er genoß das Gefühl wohliger Erschöpfung, als er plötzlich einen kalten Lufthauch im Nacken spürte und gleich darauf hörte,wie die Tür zugeschlagen wurde. Ohne großes Interesse drehte er sich um und sah, daß noch ein Reisender eingetroffen war.
    »Etwas zu essen, Wirt, und einen Krug von diesem dicken thessalischen Wein. Ich bin den ganzen Abend durch eiskalten Wind geritten und brauche jetzt etwas, um meine Kehle zu befeuchten. Bei den Göttern, in einer solchen Nacht würde ich keinen Hund vor die Tür jagen.«
    An seinem Akzent merkte Philipp sofort, daß der

Weitere Kostenlose Bücher