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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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den Fünfzigern auf einem schwarzen Hengst. Es war Ptolemaios…«
    Die Angst fuhr Philipp wie ein Schmerz in die Eingeweide. Aber ein Fremder konnte sich schließlich täuschen…
    »Der König ist ein junger Mann«, sagte Philipp mit bemühter Beiläufigkeit. »Er ist kaum älter als ich. Als ich von zu Hause wegging, hatte man gerade einen Regenten ernannt – ich glaube, der hieß Ptolemaios. Wenn es einen Wechsel gegeben hat, dann überrascht es mich, daß ich nichts davon gehört habe.«
    »Also ich habe gehört, daß ein Mann ihn >König< nannte«. Der Thraker klang streitlustig, als hätte Philipp ihn einen Lügner genannt. Doch im nächsten Augenblick schien er seinen Zorn schon wieder vergessen zu haben. »Aber vielleicht hat der Kerl sich getäuscht. Für die meisten ist ja ein Regent so gut wie ein König. Ich muß zugeben, das Pferd dieses Ptolemaios hat mich viel mehr interessiert als er selbst. Bei den Göttern, dieser Hengst war vielleicht riesig! Und so wild, daß er Feuer zu schnauben schien. Wenn Ptolemaios nicht der König ist, dann sollte er es sein, bei dem Pferd.«
    In dieser Nacht lag Philipp in der dunklen Taverne, in der nur das Feuer einen fahlen Schein auf die Dielen warf, und versuchte, seine wildesten Ängste zu besänftigen und die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich waren. Schließlich waren erst vier Tage vergangen, seit er Theben verlassen hatte, und falls Ptolemaios sich wirklich zum König erklärt hatte, hätte Pammenes sicherlich gleich mit dem ersten Schiff, das aus Pella eintraf, Nachricht davon erhalten. Dieser betrunkene Lederhändler, der im Augenblick laut schnarchend vor dem Feuer lag, konnte ihm nichts mitteilen, das nicht mindestens eineinhalb Monate alt war. Deshalb hatte es keine Revolution gegeben, und Perdikkas war noch am Leben.
    Was der Thraker ihm berichtete, war einfach die allgemeine Stimmung. Für die meisten ist der Regent so gut wie ein König. Die Leute hatten sich einfach daran gewöhnt, daß Ptolemaios die Stelle des Königs einnahm.
    Und er hatte das zugelassen. Inzwischen würde es bestimmt niemanden mehr entsetzen, wenn Perdikkas abgesetzt und Ptolemaios nicht nur von der Machtfülle her, sondern auch dem Titel nach König werden würde.
    Genau das hat er vor, dachte Philipp. Und zwar bald. Denn es waren nur noch zwei Monate bis zu Perdikkas’ Volljährigkeit, und die würde das Ende der Regentschaft bedeuten. Ptolemaios blieb nur die Wahl zwischen demeigenen Tod und Mord, denn war Perdikkas erst einmal frei, würde er ihn mit Sicherheit töten lassen – nicht, um seine Herrschaft zu stärken oder als Vergeltung für Alexandros’ Tod, sondern aus der Rachsucht, die die Angst gebiert. Perdikkas würde ihn vernichten, nur um sich selbst zu beweisen, daß er keine Angst mehr hatte. Und das wußte Ptolemaios sehr genau.
     
    Der westliche Horizont war noch nachtschwarz, als Philipp am nächsten Morgen bereits fertig angezogen vor der kalten Asche des Feuers saß und sich sein Frühstück aus einem Topf zusammenkratzte, der vom vergangenen Abend übriggeblieben war. Als der Wirt ihn so sah, vermutete er sofort, daß er sich davonstehlen wollte, während die anderen noch schliefen, um nicht bezahlen zu müssen.
    »Dein Geld ist in dem Beutel, der dort am Bratspieß hängt«, sagte Philipp. »Zwei Athener Silberdrachmen, falls du auf den Gedanken gekommen bist, ich wollte dich ausrauben.«
    Nachdem der Wirt den Beutel geholt und sich die Münzen auf die Hand geschüttet hatte, wies er einen solchen Verdacht zwar weit von sich, bot Philipp aber als Wiedergutmachung – und weil zwei Silberdrachmen genug für ein ganzes Festmahl waren – einen Becher Wein an und machte ihm außerdem einen Proviantbeutel mit Fleisch und Brot und einem kleinen Krug seines besten lemnischen Weins zurecht. Für zwei Silberdrachmen hätte er Philipp vermutlich sogar mit seiner Tochter schlafen lassen.
    Als die Stadttore sich bei Sonnenaufgang öffneten, war Philipp der erste, der hindurchritt.
    Wie eilig es Philipp hatte, zeigte sich daran, daß er bereits in der dritten Nacht nach dem Verlassen von Pharsalos in der letzten der griechischen Kolonien im Norden, in der Stadt Methone, schlief. Am nächsten Morgen traf er auf der Küstenstraße, der er folgte, einen Bauern mit seiner Hacke auf der Schulter, und als er den Mann nach dem Namen des nächsten Dorfs fragte, antwortete dieser mit der schweren, abgehackten Aussprache der makedonischen Landbevölkerung. Da wußte Philipp,

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