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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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erkannte, der nach vierzehn Jahren zurückgekehrt war? Aber ein Pferd kann das nicht. Das Gedächtnis eines Pferdes ist wie ein Becher aus Sand. Es behält nichts. Deshalb, so sagten die Männer, mußte ein Gott dem Hengst seinen Willen eingepflanzt haben.
    Denn beim Klang von Philipps Stimme erfüllte Alastor, was sein Name prophezeite: Er blieb mitten im Lauf stehen, stieg in die Höhe und schlug mit den Vorderhufen in die Luft. Ptolemaios wurde zu Boden geworfen, und als er davonzukriechen versuchte, wirbelte der Hengst herum und ließ seine riesigen Hufe auf den Rücken des Mannes niedersausen – einmal, zweimal, und dann ein drittes Mal, als wolle er ihn zu Brei zermalmen.
    »Halt, Alastor!« Philipp kam herbeigelaufen und ließ dabei sein Schwert fallen, als wäre es nun vollkommen nutzlos. Das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Halt.«
    Und von einem Augenblick zum anderen wurde der Hengst ruhig. Er ließ sich von Philipp den Hals streicheln und stand dann still abseits, während Philipp zu seinem vernichteten Feind ging, dem es irgendwie gelungen war, sich auf den Rücken zu drehen.
    Ptolemaios griff mit einer schwachen Bewegung nach seinem Speer, der neben ihm auf dem Boden lag, doch es war vergeblich, er war zu weit weg.
    »Ich spüre meine Beine nicht mehr«, sagte er, als Philipp neben ihm kniete. »Dieses Untier hat mich getötet. Es hat mir das Rückgrat gebrochen wie einen verfaulten Ast. Deine Mutter hat immer gesagt, daß es mich eines Tages töten wird, wenn du es nicht tust.«
    Er versuchte zu lachen, doch seine Lippen verzerrten sich im Schmerz.
    »Bei den Göttern, ist das also das Ende?« fuhr er fort, seine Worte kaum mehr als ein Keuchen zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Gib mir doch endlich den Gnadenstoß – zeig ein wenig Mitleid. Wo ist dein Schwert? Hol es und räche deinen Bruder, denn dieser Trottel Praxis hat ihn auf mein Geheiß hin getötet. Du hast es gewußt. Gib mir den Gnadenstoß, du verdammter Junge. Du hast richtig vermutet, die ganze Zeit. Und jetzt triumphierst du über mich.«
    Ein Schatten fiel über das Gesicht des Regenten. Hätte Philipp aufgesehen, hätte er seinen Bruder Perdikkas gesehen, der mit Ptolemaios’ Speer in der Hand über ihm stand.
    »Die Ehre gebührt mir, mein Prinz.«
    Bei dem Klang der Stimme hob Philipp den Kopf. Als er sah, was gleich passieren würde, hob er den Arm, wie um einen Schlag abzuwehren, und öffnete den Mund, aber es war zu spät. Mit beiden Händen den Schaft des Speers umklammernd, stieß Perdikkas die Spitze mitten in Ptolemaios’ Brust, in sein Herz.

22
     
     
    DAS WERDE ICH dir nie vergessen, Philipp. Du hast mir einen großen Dienst erwiesen.«
    »Du hättest ihn nicht töten sollen.«
    Philipp und sein Bruder standen über der Leiche des toten Regenten. Sie wußten, daß sie nur wenige Augenblicke für sich haben würden.
    »Warum hätte ich ihn nicht töten sollen? Er war ein Verräter. Du hast es mit seinen eigenen Worten gehört. Oder ist es nur so, daß du ihn selber töten wolltest?«
    »Nicht nur das. Wenn ich ihn töte, ist das eine Privatangelegenheit. Wenn der König ihn tötet, ist er vor dem Gesetz ein Verräter. Jetzt trifft seine ganze Familie die Strafe für seinen Verrat. Unsere Mutter kannst du retten, aber er hat auch noch einen Sohn.«
    »Philoxenos? Ist er ein besonderer Freund von dir? Was mich angeht, ich kann auch ganz gut ohne ihn auskommen.«
    »Das ist gut so, denn du hast ihn verurteilt.«
    Niemand hatte das gehört, vielleicht nicht einmal Perdikkas. Die Männer, die sich um sie drängten, hatten nur Augen für den toten Regenten. Sie achteten auf nichts anderes mehr, so als könnten sie gar nicht glauben, daß ein Mann wie er am Ende doch nur ein Sterblicher gewesen war.
    Philipp ging unbemerkt davon. Es gab noch eine Pflicht, die er seinem Bruder schuldig war, und es drängte ihn, sie zu erfüllen. Vielleicht würde das diese häßliche Szene aus seinem Herzen tilgen.
    Er holte sich sein Schwert und aus dem Gepäck der Jagdgesellschaft einen kleinen Bronzeschild. Während er dann wieder auf den kleinen Trupp Männer zuging, begann er, mit der Breitseite des Schwerts auf den Schild zu schlagen.
    »Der König hat gehandelt wie ein Mann und sich von dem Verräter Ptolemaios befreit«, rief er. »Ehre und ein langes Leben dem König Perdikkas, dem Herrscher der Makedonier. Heil Perdikkas!«
    Zuerst sahen sie ihn alle an, als hielten sie ihn für verrückt. Doch dann dämmerte ihnen,

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