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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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Hausder Argeaden irgendwie die Gunst der Götter verwirkt hatte und zu Ruin und Auslöschung verurteilt war. Zuerst Alexandros, dann Meda, dann seine Mutter – alle Opfer von Verrat und Wahnsinn. Aus dem engeren Kreis seiner Familie war nur noch Perdikkas übrig, und Perdikkas war inzwischen ein eifersüchtiger und furchtsamer König, der sich ihm beinahe bis zur Sprachlosigkeit entfremdet hatte. Philipp hatte kaum Einfluß auf seinen Bruder. Meistens war es besser, wenn er gar nichts sagte.
    Aber auf eins konnte Philipp stolz sein: Mit einem Wort im richtigen Augenblick hatte er Lukios davor bewahrt, eine schlimmere Strafe zu erleiden als die Verbannung auf seine Landgüter. Mindestens sechs der treuesten Anhänger des Regenten waren verurteilt worden – einige von ihnen hatten das Urteil der Versammlung vorausgesehen und sich entweder in ihr Schwert gestürzt, oder sie waren geflohen –, und Lukios, der von Kindheit an nicht von Ptolemaios’ Seite gewichen war, der sogar seinen jüngsten Sohn nach ihm benannt hatte, Lukios hätte mit Sicherheit zu ihnen gehört, hätte nicht Philipp rein zufällig, wie es aussah, ihn als Beispiel für jene genommen, bei denen Perdikkas Gnade walten lassen sollte.
    Denn Lukios wäre nicht allein untergegangen. Die Strafe für Verrat war die Auslöschung des gesamten Familienzweigs – Frau, Brüder, Kinder bis hinunter zum Säugling an der Brust der Mutter. Das Gesetz machte keinen Unterschied zwischen den Schuldigen und den Unschuldigen. Und niemand, nicht einmal der König selbst, konnte das Gesetz ändern.
    Ohne es zu beabsichtigen, ohne überhaupt zu wissen, daß sie unmittelbar bevorstand, wurde Philipp Zeuge von Lukios’ Abreise aus der Stadt. Der gefallene Günstling ritt durch die Straßen von Pella ins Exil, ohne jemanden eines Blickes zu würdigen, wie versunken im Nachdenken, und hinter ihm gingen seine Diener, die sich auf ihre Wanderstäbe stützten, als wären sie am Ende der Reise und nicht an ihrem Anfang. Den Abschluß des Zugs bildete ein überdachter Wagen mit seiner Familie. So kam es, daß Philipp Arsinoe ein letztes Mal sah.
    Sie war so schön wie eh und je – vielleicht sogar noch schöner, denn es gibt Frauen, bei denen der Zorn die Wesenszüge ihres Gesichts noch deutlicher hervortreten läßt. Während ihr Wagen durch die Straßen rollte, suchten ihre Augen die Menge ab und blieben bei diesem und jenem hängen, als wollte sie sich ihn für eine spätere Rache einprägen.
    Als sie Philipp sah – und wer weiß, ob sie nicht die ganze Zeit nur ihn gesucht hatte –, versteinerte sich ihr Gesicht. Dann bückte sie sich zu ihrem kleinen Jungen, der neben ihr lag, und hob ihn an die Brust. Sie strich ihm zärtlich über die Haare und küßte ihn, aber ihr Blick wich keinen Augenblick von Philipp.
    Ja, das ist mein Sohn, dachte Philipp. Und sie will es mich wissen lassen. Es ist die einzige Rache, die ihr geblieben ist, und sie trifft mich wirklich.
    Irgendwie schien das dem Ganzen die Krone aufzusetzen.
    Danach zog sich Philipp immer mehr in sich selbst zurück. Am Hof seines Bruders ließ er sich nur sehen, wenn Amtsgeschäfte ihn dorthin riefen, was selten genug vorkam. Obwohl im Königspalast eine Wohnung für ihn bereitstand, lebte er weiter beim alten Glaukon, wie er es als Junge getan hatte. Er verbrachte seine Tage mit einfachen Leuten, mit Soldaten und Handwerkern. So oft war er auf den Baustellen in und um Pella zu sehen, daß bald Gerüchte die Runde machten, er gehe bei einem Steinmetz in die Lehre.
    Waren die Gerüchte auch falsch, so war es genau ein solches Leben, das Philipp, Prinz von Makedonien und rechtmäßiger Erbe des Throns, sich erträumte, wie andere Männer von Liebe oder Reichtum träumen. Er hätte viel gegeben, nur um vergessen zu dürfen, daß das Blut von Königen in seinen Adern floß, denn seine Geburt fesselte ihn an das schlimme Schicksal, das das einzig wahre Vermächtnis seiner Familie zu sein schien.
    Als Steinmetz zu arbeiten und sein Leben damit zuzubringen, die Schwielen an seinen Händen zu kräftigen; oder noch besser, an Bord eines der Handelsschiffe zu gehen, die auf ihrem Weg vom Schwarzen Meer nach Süden in Pella festmachten – das wäre wirklich etwas: mit der Morgenbrise davonzusegeln und Pella für immer hinter sich zu lassen.
    Aber das konnte er nicht tun, denn er war nicht nur ein Kind der Argeaden, sondern auch Makedoniens. Er hatte keine andere Wahl. Das wußte er, obwohl er es vor sich selbst zu

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